Geschichte des Westens
Veränderung des Status quo, die Japan in Verletzung des Prinzips der Offenen Tür in China vorgenommen hatte, in irgendeiner Weise anzuerkennen. Im März 1932 schloß sich der Völkerbund diesem Völkerrechtsvorbehalt an.
Massiver waren die inoffiziellen chinesischen Reaktionen auf die Besetzung eines Gebiets, das völkerrechtlich noch immer einen Teil Chinas bildete. In mehreren chinesischen Städten kam es zu Angriffen auf japanische Einrichtungen und zu einer Boykottbewegung gegen japanische Waren. Nach einem schweren Zwischenfall in Shanghai griff dort die japanische Marine, unterstützt von der Marineinfanterie, ein und bombardierte die Stadt von der See und von der Luft aus. Im Februar schickte die Regierung Inukai zusätzliche Truppen in die Region. Nach heftigen und verlustreichen Kämpfen wurde die Intervention am 2. März 1932 durch ein Abkommen mit Präsident Tschiang Kai-schek beendet. Mehr als ein Waffenstillstand war es nicht: Es ließ sich absehen, daß Japan mit der Besetzung der Mandschurei nur ein Etappenziel seiner Expansion auf Kosten Chinas erreicht hatte.
Bereits zwei Wochen zuvor, am 18. Februar, hatte der von der Kwantung-Armee inzwischen geschaffene neue «Staat» Mandschukuo seine Unabhängigkeit von China erklärt. Im März wurde Pu Yi zum Staatsoberhaupt ernannt. Die Regierung Inukai lehnte die Anerkennung von Mandschukuo ab. Ein besonders entschiedener Widersacherder Mandschurei-Aktion, Finanzminister Inoue Junnosuke, war am 9. Februar von Angehörigen einer Verschwörergruppe, der Blutsbrüderschaft des radikalen Nationalisten Inoue Nissho, ermordet worden. Am 15. Mai 1932 ereilte Premierminister Inukai an seinem Amtssitz dasselbe Schicksal. Seine Ermordung war Teil eines Umsturzversuchs einer anderen rechtsradikalen Gruppe, an dem auch Okawa Shumei, der Mitgründer von Yuzonsha, beteiligt war. Neuer Premierminister wurde im Mai 1932 Admiral Saito Makoto, der im Juli 1934 von einem anderen Admiral, Okada Keisuka, abgelöst wurde. Die Zeit der von Parteipolitikern geführten Regierungen war abgelaufen. In den folgenden Kabinetten gab es keinen zivilen Widerstand mehr gegen die Expansionspläne der Armee. Im September 1932 erkannte das Unterhaus einstimmig das faktische Protektorat Mandschukuo als selbständigen Staat an.
Im Monat darauf legte die vom Völkerbund eingesetzte Lytton-Kommission ihren Bericht vor. Sie konnte in dem von Japan besetzten Gebiet kein Streben nach nationaler Selbständigkeit erkennen und empfahl, der Mandschurei einen autonomen Status innerhalb Chinas zu gewähren und der japanischen Polizei Überwachungsrechte einzuräumen. Am 24. Februar 1933 stimmte der Völkerbund diesem Vorschlag zu. Japan, seit der Gründung der Weltorganisation Ständiges Mitglied des Völkerbundsrates, stimmte als einziger Mitgliedstaat mit Nein, und nur ein Staat, Siam, enthielt sich der Stimme. Am 27. März 1933 beantwortete Japan die Entscheidung mit dem Austritt aus dem Völkerbund. Es sollte nicht der letzte Austritt des Jahres 1933 bleiben: Am 14. Oktober folgte das nationalsozialistische Deutschland dem Beispiel, das ihm Japan gegeben hatte.
Japan hatte sich bis 1932/33 zu einem autoritären, militaristischen und radikal nationalistischen Staat entwickelt, der manche Ähnlichkeiten mit dem faschistischen Italien aufwies und dennoch nicht einfach als «faschistisch» bezeichnet werden kann. Es fehlten ihm wesentliche der für faschistische Regime typischen Merkmale: die straff geführte Einheitspartei, die ständige Mobilisierung der Massen, der systematische Terror einer allgegenwärtigen Geheimpolizei und der
eine
Führer als Mittelpunkt des Machtzentrums und als Gegenstand eines propagandistisch betriebenen Personenkults. Die politische Partizipation des Volkes war in Japan sehr viel schwächer entwickelt als in Italien, von Deutschland ganz zu schweigen. Anders als in Europa gabes im Japan der Zwischenkriegszeit keine militante proletarische Massenbewegung, die von den Ober- und Mittelschichten als Bedrohung ihres sozialen Status hätte empfunden werden können. Deswegen vermochten in dem fernöstlichen Kaiserreich die Militäreliten dem immer autoritärer auftretenden Regime ihren Stempel aufzudrücken, ohne auf eine pseudoplebiszitäre Akklamation als Legitimation ihrer Herrschaft angewiesen zu sein.
Gemeinsam war Japan und zahlreichen europäischen Staaten der Zwischenkriegszeit die Abwendung von der parlamentarischen Demokratie. Fast überall, wo dieses
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