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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Regierung bereits im März 1933 aufgelöst und damit in die Illegalität gedrängt. Im Oktober 1933 beschlossen die Sozialdemokraten auf einem außerordentlichen Parteitag, in vier Fällen zum bewaffneten Widerstand zu schreiten: bei einem Verbot der Partei, bei einem Verbot der Gewerkschaften, einem Angriff auf das «rote Wien» oder der Einführung einer faschistischen Verfassung. Am 18. Januar 1934 kam ein Abgesandter Mussolinis, der Unterstaatssekretär im Außenministerium, Fulvio Suvich, nach Wien, um von Dollfuß eine konsequente Durchführung der Vereinbarungen von Riccione zu fordern, wobei er auf einen scharf antiparlamentarischen und antimarxistischen Kurs drängte. Im gleichen Sinn wurden Ende Januar und Anfang Februar die paramilitärischen Heimwehren tätig.
    Am 12. Februar kam es bei einer Polizeiaktion gegen das Linzer Arbeiterheim zu einer Verzweiflungstat des verbotenen Schutzbundes: der Beschießung der Ordnungskräfte aus dem belagerten Gebäude heraus. Als die Nachricht von den Linzer Ereignissen in Wien eintraf, proklamierte der sozialdemokratische Parteivorstand den Generalstreik. Damit begann auch in der Hauptstadt der bewaffnete Kampf. Drei Tage benötigten Polizei, Bundesheer und Wehrverbände, um den Widerstand der Arbeiter zu brechen, die sich in großen Wohnblocks wie dem Karl-Marx-Hof im Wiener Bezirk Döbling verschanzt hatten und von dort aus die Ordnungskräfte beschossen. Auf Seiten der letzteren gab es über 100 Tote und fast 500 Verwundete, auf Seiten des Schutzbunds und der Zivilbevölkerung fast 200 Tote und weit über 300 Verwundete. Es folgten standrechtliche Erschießungen von Aufständischen, das Verbot aller sozialdemokratischen Organisationen und die Annullierung der Mandate sozialdemokratischer Parlamentarier. Die Sieger waren das «austrofaschistische»Dollfuß-Regime und die beiden Mächte, die es massiv unterstützten: das faschistische Italien und das autoritär regierte Ungarn unter dem Reichsverweser Admiral Horthy und dem rechtsradikalen und antisemitischen Ministerpräsidenten Gyula Gömbös.
    Einen Monat später, am 17. März 1934, vereinbarten diese drei Staaten in den Römischen Protokollen eine enge politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Im Mai erließ das Dollfuß-Regime eine neue Verfassung, die dann vom Rumpfparlament verabschiedet wurde und Österreich unter Berufung auf den allmächtigen Gott zum «christlichen, deutschen Bundesstaat auf ständischer Grundlage» erklärte. Eine Befriedung bewirkte die Verschärfung des autoritären Charakters des österreichischen Staates nicht. Am 25. Juli 1934 putschten die österreichischen Nationalsozialisten auf Weisung der Landesleitung unter Theo Habicht, die ihren Sitz in München hatte und in engster Abstimmung mit Hitler handelte. Bei der Erstürmung des Bundeskanzleramtes wurde Dollfuß durch Pistolenschüsse getötet. Insgesamt forderte der Umsturzversuch 269 Menschenleben und zwischen 430 und 660 Verwundete.
    Der nicht vorgesehene gewaltsame Tod von Dollfuß brachte den Putsch zum Scheitern. Mussolini ließ noch am 25. Juli vier Divisionen am Brenner und in Tarvisio aufmarschieren; Hitler verleugnete seine stümperhaften Gefolgsleute und verfügte in der Nacht vom 25. zum 26. Juli demonstrativ die Entlassung Habichts und die Auflösung der österreichischen Landesleitung der NSDAP. Die Nachfolge Dollfuß’ trat der bisherige Unterrichtsminister Kurt von Schuschnigg an, der die autoritäre, am faschistischen Italien ausgerichtete Politik seines Vorgängers fortsetzte. Das deutsch-italienische Verhältnis war im Gefolge des nationalsozialistischen Putsches an einem historischen Tiefpunkt angelangt.
    Österreich war nicht der einzige Streitpunkt zwischen den deutschen Nationalsozialisten und den italienischen Faschisten. Eine angrenzende Region, wo die Interessen der beiden Regime hart aufeinander stießen, war der Donauraum. Das «Dritte Reich» sah in den Agrarländern des südlichen Ostmittel- und Südosteuropa einen wirtschaftlichen Ergänzungsraum der Industrienation Deutschland, den es fest mit dem Reich zu verbinden und seiner Führung zu unterstellen galt. Das besondere Augenmerk der Berliner Politik richtete sich auf Ungarn und Jugoslawien. Mit Budapest wurde im Juli 1933 ein Handelsvertragabgeschlossen, der eindeutig darauf ausgerichtet war, Ungarn zum Teil eines deutsch beherrschten Großwirtschaftsraums zu machen. Seit Anfang 1934 begann Deutschland, gezielt Belgrad zu umwerben

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