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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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vorbehalten, den von Hitler befohlenen, vom «gesunden Volksempfinden» gebilligten Morden den Schein einer naturrechtlichen Legitimation zu verschaffen und damit die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt theoretisch zu liquidieren. Unter der Überschrift «Der Führer schützt das Recht» machte er sich Hitlers Formel vom «obersten Gerichtsherrn» zu eigen. «Der wahre Führer ist immer auch Richter», schrieb Schmitt. «Aus dem Führertum fließt das Richtertum. Wer beides voneinander trennen oder gar entgegensetzen will, macht den Richter entweder zum Gegenführer oder zum Werkzeug eines Gegenführers und sucht den Staat mit Hilfe des Staates aus den Angeln zu heben … In Wahrheit war die Tat des Führersechte Gerichtsbarkeit. Sie untersteht nicht der Justiz, sondern war selbst höchste Justiz … Das Richtertum des Führers entspringt derselben Rechtsquelle, der alles Recht jedes Volkes entspringt. In der höchsten Not bewährt sich das höchste Recht und erscheint der höchste Grad richterlich rächender Verwirklichung des Rechts. Alles Recht stammt aus dem Lebensrecht des Volkes.»
    Die Gewinner der SA-Krise waren, außer Hitler selbst, die Reichswehr und die SS. Die Reichswehrführung hatte sich zum Komplizen eines Verbrechens gemacht, um ihr Monopol als Waffenträger der Nation durchzusetzen; um dieses Zieles willen nahm sie sogar die Ermordung von zwei Generälen hin; sie war seitdem moralisch erpreßbar. Die SS wurde am 20. Juli 1934 von Hitler in Anerkennung ihrer Verdienste bei der Ausschaltung der SA-Führung zur selbständigen Organisation im Rahmen der NSDAP erhoben. Heinrich Himmler, der «Reichsführer SS», der seit April 1934 an der Spitze der Politischen Polizei in ganz Deutschland stand, rückte damit in der Hierarchie des «Dritten Reiches» ein weiteres Stück nach oben. Seine «Schutzstaffeln» konnten beginnen, sich zum Staat im Staat zu entwickeln.
    Am 2. August 1934 starb auf seinem Gut Neudeck, wo er seit Anfang Juni geweilt hatte, im Alter von 86 Jahren Paul von Hindenburg. Das zweite Staatsoberhaupt der Weimarer Republik hatte dem Parteiführer Hitler bis in die letzten Januartage des Jahres 1933 mißtraut, dem Reichskanzler Hitler gegenüber aber bald alle Vorbehalte aufgegeben. Ein mäßigender Einfluß des Reichspräsidenten war nach dem 30. Januar 1933 nur noch zweimal spürbar geworden: bei der Milderung der antisemitischen Bestimmungen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums im April 1933 und im Sommer desselben Jahres im Kirchenkampf. Unter Hitlers Kanzlerschaft schien sich dem greisen Reichspräsidenten die langersehnte innere Beruhigung Deutschlands anzubahnen. Die Niederwerfung des vermeintlichen «Röhm-Putsches» begrüßte Hindenburg, dem der homosexuelle Stabschef der SA persönlich zutiefst zuwider gewesen war, in Glückwunschtelegrammen an Hitler und Göring. Was er von den Ereignissen noch zur Kenntnis nahm, war geeignet, seine Wertschätzung für den Kanzler zu erhöhen.
    An das Ziel seiner politischen Wünsche war Hindenburg, als er starb, aber noch nicht gelangt. Am 18. Januar 1871 hatte er als junger preußischer Offizier der Kaiserproklamation in Versailles beigewohnt.Im Mai 1934 unterschrieb er seinen «Letzten Wunsch», ein Bekenntnis zur Wiederherstellung der Hohenzollernmonarchie. Der «Letzte Wunsch» war an den «Herrn Reichskanzler» gerichtet und sollte diesem nach dem Tod des Reichspräsidenten ausgehändigt werden. Hitler kannte den Inhalt des Briefes längst, als Papen ihm das Schriftstück im Auftrag Oskar von Hindenburgs am 14. August in Berchtesgaden übergab. Veröffentlichen ließ der Reichskanzler tags darauf jedoch nur Hindenburgs «Testament», das ihm ebenfalls vom früheren Vizekanzler überreicht worden war. Dieses Dokument enthielt Worte höchster Anerkennung für «meinen Kanzler Adolf Hitler und seine Bewegung», aber nichts, was den «letzten Wunsch» des verstorbenen Reichspräsidenten erkennen ließ.
    Hitler handelte so, wie es seinem Interesse entsprach. Eine monarchische Restauration lehnte er ab, weil sie mit seiner Auffassung vom eigenen Führertum unvereinbar war. Hindenburgs Tod bot die Chance, dieses Führertum weiter auszubauen. Bereits am 1. August, also einen Tag, bevor der Reichspräsident starb, beschloß die Reichsregierung die Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers und legte sich damit auf eine Lösung fest, die Hindenburgs «letztem Wunsch» strikt

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