Geschichte des Westens
Deutschland». Dieser Sieg sei «nicht nur als ein Zeichen der Schwäche der Arbeiterklasse und Ergebnis der Verrätereien an der Arbeiterklasse seitens der Sozialdemokratie (zu) betrachten, (sondern auch) als Zeichen dafür, daß die Bourgeoisie nicht mehr imstande ist, mit den alten Methoden des Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie zu herrschen, und in Anbetracht dessen gezwungen ist, in der Innenpolitik zu terroristischen Regierungsmethoden zu greifen – als Zeichen dafür, daß sie nicht mehr imstande ist, einen Ausweg aus der jetzigen Lage auf dem Boden einer friedlichen Außenpolitik zu finden, weshalb sie gezwungen ist, zur Politik des Krieges zu greifen … Wie Sie sehen, geht es einem neuen imperialistischen Krieg entgegen, der als Ausweg aus der jetzigen Lage dienen soll.»
Die Nichtangriffs- und Beistandspakte mit ausgewählten europäischen Ländern, bis hin zum faschistischen Italien, waren seit 1933 ein Versuch, einen Keil zwischen die «imperialistischen» Mächte zu treiben – die weniger aggressiven unter ihnen gegen die aggressivste, das nationalsozialistische Deutschland, in Stellung zu bringen und sich bei ihnen rückzuversichern. Die offizielle sowjetische Außenpolitik war ein klassischer Fall von staatlicher «Realpolitik». Auf der Ebene der Kommunistischen Internationale hingegen konnte und durfte der ideologische und politische Kampf gegen die Bourgeoisie zunächst weitergeführt werden. Erst eineinhalb Jahre nach dem Regimewechsel in Deutschland setzte sich in Moskau die Einsicht durch, daß die Fortsetzung dieses kalkulierten Dualismus die «antifaschistischen» Kräfte des Westens schwächte und der extremsten Erscheinungsform des Faschismus, dem Nationalsozialismus, nützte.
Als erste kommunistische Partei schloß die französische im Juli 1934 mit den Sozialisten einen Aktionspakt gegen den Faschismus ab. Im Februar 1935 forderte dann die Moskauer Exil-KPD zur Bildung einer «geeinten antifaschistischen Volksfront» auf, in der alle zusammenarbeiten und kämpfen sollten, «die willens sind, auf den Sturz der Hitlerregierung und des faschistischen Barbaren-Regimes hinzuarbeiten». Eine Festlegung auf die kommunistischen «Endzielsetzungen» sollte es dabei nicht geben. «Die proletarische Einheitsfront ist der Hebel zur Volksfront, zur Volksrevolution. Die kommunistischen undsozialdemokratischen Arbeiter und Funktionäre haben den Hebel in der Hand, sie können die Einheitsfront zur Volksfront führen und damit zum Massenkampf, zum Kampf breiter Massen des werktätigen Volkes für den Sturz der faschistischen Diktatur.»
Im August 1935 wiederholte Georgi Dimitroff, der Generalsekretär der Komintern, auf dem Siebten Weltkongreß der Dritten Internationale die im Dezember 1933 vom XIII. Plenum verabschiedete Formel, wonach der Faschismus an der Macht «die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals» war. Neu war hingegen der Appell an die Anhänger und Organisationen der Zweiten Internationale, sich mit der Dritten Internationale zur «antifaschistischen Volksfront» zusammenzuschließen. «Die Herstellung der Aktionseinheit aller Teile der Arbeiterklasse, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Partei und Organisation, ist notwendig, bevor noch die Mehrheit der Arbeiterklasse sich zum Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für den Sieg der proletarischen Revolution vereinigt haben wird.» Von kommunistischer Selbstkritik war bei Dimitroff keine Rede. Die Reformisten sollten vergessen, daß sie von der Komintern und ihren Mitgliedsparteien jahrelang als «soziale Hauptstütze der Bourgeoisie» und «Sozialfaschisten» diffamiert worden waren. Wenn sie es nicht taten, sabotierten sie aus der Sicht der Kommunisten das, worum es jetzt vor allem ging: den umfassenden Zusammenschluß aller Antifaschisten unter der Führung der Arbeiterklasse.
Die neue Generallinie der Komintern bedeutete keine Aufgabe des Ziels der kommunistischen Revolution, sondern nur einen neuen Weg zu diesem Ziel. Die Dritte Internationale war seit 1935 mehr als zuvor ein Instrument der sowjetischen Außenpolitik. Ihre leitenden Funktionäre wurden bald darauf ebenso vom stalinistischen Terror erfaßt und, wenn es Stalin zweckmäßig erschien, liquidiert wie die ehedem maßgeblichen Bolschewiki. Der siebte Weltkongreß war, so gesehen, der Anfang vom Ende der Komintern: ihrer Auflösung
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