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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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gegen Sinowjew, Kamenew und andere Altbolschewiken erklärte er es im Oktober 1936 für ausgeschlossen, daß die Schuldeingeständnisse der 16 Angeklagten durch Folter oder Androhung von Folter erpreßt sein könnten. Er hielt die Existenz eines nationalsozialistischen Komplotts für erwiesen und gelangte zu dem bemerkenswerten Schluß: «Wir würden die Französische Revolution verleugnen, die nach einem berühmten Wort (von Georges Clemenceau, H. A. W.) ein Block ist, wenn wir einem Volk das Recht absprächen, gegen die Hetze zum Bürgerkrieg und gegen Verschwörer, die mit dem Ausland paktieren, mit aller Härte vorzugehen.»
    Ähnlich verständnisvoll äußerte sich der aus dem nationalsozialistischen Deutschland emigrierte, im französischen Sanary-sur-Mer lebende Schriftsteller Lion Feuchtwanger, der um die Jahreswende 1936/37 in die Sowjetunion reiste, wie Gide von Stalin zu einem mehrstündigen Gespräch empfangen wurde und über seine Eindrücke und Erkenntnisse ein Buch schrieb. Darin kritisierte er zwar den überbordenden Personenkult um Stalin und mancherlei Mißstände, konnte aber in dem Schauprozeß gegen den stellvertretenden Volkskommissar für die Schwerindustrie, Georgi Pjatakow, Karl Radek und andere angebliche Mitglieder eines sowjetfeindlichen trotzkistischen Zentrumsnichts Erschreckendes erkennen: «Das Ganze glich weniger einem hochnotpeinlichen Prozeß als einer Diskussion, geführt im Konservationston, von gebildeten Männern, die sich bemühten, festzustellen, welches die Wahrheit war und woran es lag, daß geschehen war, was geschehen war. Ja, es machte den Eindruck, als hätten Angeklagte, Staatsanwälte und Richter das gleiche, ich möchte fast sagen, sportliche Interesse, die Geschehnisse lückenlos aufzuklären …» Da die Angeklagten, die fast alle zum Tode verurteilt wurden, gestanden, die ihnen zur Last gelegten Verbrechen bis hin zur Sabotage und zur Vorbereitung von Terrorakten begangen zu haben, sah der Prozeßbeobachter aus dem Westen keinen Grund, am Wahrheitsgehalt ihrer Selbstbeschuldigungen zu zweifeln.
    Feuchtwangers Buch «Moskau 1937. Ein Reisebericht für meine Freunde» erschien im Sommer 1937 auf deutsch im Amsterdamer Verlag Querido, im September auf englisch im Verlag des Left Book Club von Victor Gollancz in London. Unter den linken Intellektuellen fanden wohlwollende Schilderungen sowjetischer Zustände wie die Feuchtwangers sehr viel mehr Anklang als kritische Einlassungen in der Art von Gide. Das war in London nicht anders als in Paris oder New York, wo Viking Press 1937 eine amerikanische Ausgabe von «Moskau 1937» herausbrachte. Verglichen mit den faschistischen Diktaturen in Rom und Berlin erschien die Sowjetunion auch in der Zeit des großen Terrors als das bei weitem kleinere Übel, wenn nicht als Hort der Hoffnung für alle, die Europa und die Welt vor dem Faschismus retten wollten.[ 7 ]
Weichenstellungen für den Krieg:
Das nationalsozialistische Deutschland 1934–1938
    Am 13. Januar 1935 konnte das nationalsozialistische Deutschland einen Triumph feiern: An diesem Tag fand die vom Versailler Vertrag vorgesehene Volksabstimmung im Saargebiet statt. Sie erbrachte eine überwältigende Mehrheit von 90,8 Prozent für die Rückkehr ins Reich; 0,4 Prozent votierten für den Anschluß an Frankreich; 9,8 Prozent folgten den Parolen von SPD und KPD, die für den Status quo unter der Verwaltung des Völkerbunds geworben hatten, um wenigstens diesen Teil Deutschlands vor der Herrschaft des Nationalsozialismuszu bewahren. Das Regime konnte das Ergebnis auch als Beweis seines starken Rückhalts in der Arbeiterschaft interpretieren; die Arbeiterparteien hingegen mußten sich eingestehen, daß sie eine schwere Niederlage erlitten hatten.
    Im «Altreich» stand um diese Zeit nur eine Minderheit dem Nationalsozialismus in strikter Opposition gegenüber. Noch kleiner war die Zahl derer, die Widerstand leisteten, indem sie illegale Aufrufe verbreiteten oder regimefeindliche Parolen an Häuserwände oder Brücken malten. Kommunistische Widerstandsgruppen, die sich auf diesem Gebiet besonders hervortaten, wurden als erste von der Geheimen Staatspolizei unterwandert – was mit dazu beitrug, daß andere oppositionelle Kräfte sich von ihnen fernhielten. Bis Ende 1934 wurden annähernd 2000 Kommunisten umgebracht. Die Zahl der verhafteten Kommunisten belief sich 1933/34 auf rund 60.000, 1935 nochmals auf 15.000.
    Die Sozialdemokraten agierten meist vorsichtiger als die

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