Geschichte des Westens
Kommunisten. Sie pflegten ihren Zusammenhalt, indem sie sich im Rahmen von Versammlungen der Konsumgenossenschaften oder, wie schon unter Bismarcks Sozialistengesetz, bei Beerdigungen von Genossen trafen. Die besonders Mutigen hielten die Verbindung zur «Sopade», dem Prager Exilvorstand, aufrecht und verteilten dessen Schriften, die sich regelmäßig hinter unpolitischen Tarntiteln, von klassischen Dramen oder von Kochbüchern etwa, verbargen.
1935 häuften sich die Verhaftungen «marxistischer» Gegner und die erfolgreichen Schläge gegen illegale Gruppen von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern. Die Oppositionellen wurden in Massenprozessen abgeurteilt: einmal 400 Sozialdemokraten, ein andermal 628 Gewerkschafter, dann wieder, in Köln, 232 Sozialdemokraten. Als Gegner nahm das Regime nach wie vor auch das kirchlich gebundene Christentum wahr, sofern dieses sich seiner eigenen Gleichschaltung zu entziehen versuchte. 1936/37 wurden katholische Geistliche und Ordensangehörige mit einer Welle von Sittlichkeitsprozessen überzogen, die mit Pressekampagnen gegen die römische Kirche einhergingen. Um dieselbe Zeit erfolgten Anordnungen, die Kruzifixe aus den Schulen zu entfernen, was jedoch bei den Gläubigen auf so viel Widerspruch und Gegenwehr stieß, daß die Nationalsozialisten den Rückzug antraten und die entsprechenden Verordnungen wieder aufheben mußten.
Eine vergleichbare Art des Widerstands gab es auch unter den Protestanten der Bekennenden Kirche. Martin Niemöller, der Pfarrer der St. Annen-Gemeinde in Berlin-Dahlem, der von der Kanzel Hitler immer wieder vorwarf, er habe seine der evangelischen Kirche gegebenen Versprechungen gebrochen, wurde am 1. Juli 1937 von der Gestapo verhaftet. Das Urteil des Sondergerichts von Berlin vom 2. März 1938 – sieben Monate Festungshaft, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt galten, sowie 2000 Reichsmark Geldstrafe – und erst recht die Urteilsbegründung kamen dann einem moralischen Freispruch gleich. Hitler aber fand sich mit der Entscheidung der Richter nicht ab. Niemöller wurde als «Häftling des Führers» direkt vom Gerichtsgebäude in Moabit in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg verbracht. Im Juli 1941 folgte die Verlegung in das KZ Dachau, wo Niemöller bis zum Kriegsende gefangengehalten wurde.
Der evangelische Pfarrer war ein privilegierter Häftling – bis zu einem gewissen Grad geschützt durch seine Stellung in der Kirche und durch die weltweiten Proteste, die seine beiden Verhaftungen ausgelöst hatten. Das Gros der politischen KZ-Häftlinge lebte unter ungleich schwereren Bedingungen. Vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten mußten in den Konzentrationslagern dafür büßen, daß sie sich vor oder nach 1933 als Gegner des Nationalsozialismus hervorgetan hatten. Demütigungen, Schläge, Folterungen und Erschießungen «auf der Flucht» gehörten zum Alltag. Der frühere sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Kurt Schumacher, ein einarmiger Kriegsinvalide, wurde in Dachau gezwungen, schwere Steine zu schleppen. Erst nach einem vierwöchigen Hungerstreik stellte die Lagerleitung den Versuch ein, Schumacher durch Arbeit zu vernichten. Entlassen wurde er erst im März 1943. Zwei seiner Fraktionskollegen, Julius Leber und Carlo Mierendorff, kamen früher, 1937 beziehungsweise 1938, frei. Ernst Heilmann, in der Weimarer Zeit Fraktionsvorsitzender der SPD im preußischen Landtag und Reichstagsabgeordneter, war als Jude besonders sadistischen Quälereien ausgesetzt. Anfang April 1940 wurde er auf Weisung Himmlers, der seit 1936 auch «Chef der Deutschen Polizei» war, im KZ Buchenwald ermordet. Ebenfalls in Buchenwald starb Ernst Thälmann, der im März 1933 verhaftete langjährige Vorsitzende der KPD: Er wurde am 18. August 1944 auf Befehl Hitlers erschossen.
Ende Juli 1933 hatte es in ganz Deutschland etwa 27.000 politische Häftlinge gegeben. Im Juni 1935 belief sich die Zahl der KZ-Häftlingeauf weniger als 4000, was sich als Zeichen einer Stabilisierung der nationalsozialistischen Herrschaft deuten ließ. 1937 bestanden im gesamten Reich noch vier Konzentrationslager: Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald und Lichtenburg. Sie wurden von der SS verwaltet, die bei jedem der Lager einen «Totenkopfverband» mit 1000 bis 1500 Mann stationierte. Zu den «Politischen» waren seit 1934 weitere Kategorien von Häftlingen hinzugekommen: sogenannte «volksschädigende Elemente» wie «Asoziale», «Arbeitsscheue»,
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