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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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sich auf die Seite der Kommunisten und verließen die Sitzung. Die Regierungskrise endete mit dem Rücktritt Largo Caballeros am 17. Mai und der Ernennung von Finanzminister Juan Negrín Lopez zum neuen Ministerpräsidenten. Derpragmatische Sozialist, von Haus aus Professor der Physiologie, war auch der Kandidat der Kommunisten: Wie für sie hatte auch für ihn der Sieg über die «Faschisten» absolute Priorität vor allen anderen Zielen. Die Anarchisten weigerten sich, in das neue Kabinett einzutreten. Da mit Prieto ein Sozialist des rechten Flügels das (zuvor von Largo Caballero in Personalunion geführte) Kriegsministerium übernahm und Negrín nicht daran dachte, sich zum Werkzeug der Kommunisten und der Sowjetunion machen zu lassen, kann man den PCE kaum als Gewinner der Krise bezeichnen.
    Die Unterdrückung des POUM aber konnte oder wollte Negrín nicht verhindern. Ende Mai erging das Verbot der Parteizeitung «La Batalla»; Mitte Juni wurden die Mitglieder des Exekutivkomitees des POUM, darunter Nin, verhaftet. In der Anklageschrift vom 11. Juni lautete der Hauptvorwurf, die Partei habe die gewaltsame Beseitigung der Republik und ihrer demokratischen Regierung und die Errichtung der Diktatur des Proletariats angestrebt. Die Handschrift der sowjetischen Hintermänner der spanischen Kommunisten wurde besonders in der weiteren Behauptung deutlich, der POUM habe (im Zusammenhang mit den Moskauer Prozessen) die Sowjetjustiz angegriffen und Verbindungen zu internationalen trotzkistischen Organisationen unterhalten, deren Handlungen «auf dem Gebiet einer befreundeten Macht» bewiesen, daß sie im Dienst der Faschisten stünden.
    Bei den Ermittlungen der Polizei, die inzwischen weithin unter der Kontrolle des PCE stand, spielten gefälschte Dokumente eine Rolle, die belegen sollten, daß Nin ein Agent der Faschisten war. Im Prozeß, der erst im Oktober 1938 begann, wurden diese Vorwürfe fallen gelassen. Aufrechterhalten blieb der Anklagepunkt «versuchter Umsturz der bestehenden Ordnung». Fünf führende Funktionäre des POUM wurden zu Gefängnisstrafen zwischen 11 und 15 Jahren verurteilt; der POUM und seine Jugendorganisationen, die Juventud Comunista Ibérica, wurden verboten. Obwohl das Verfahren nicht, wie von den Kommunisten erhofft, zu einem Schauprozeß nach Moskauer Art geworden war, hatte der PCE sein Hauptziel damit erreicht.
    Andrés Nin erlebte den Prozeß nicht mehr. Sein Name fehlte bereits auf der Liste der am 29. Juli 1937 vom Justizministerium genannten angeklagten Funktionäre des POUM. Der Generalsekretär der linkskommunistischen Partei war nach seiner Verhaftung in ein «privates» Gefängnis der kommunistischen «Tscheka», einer Filiale des sowjetischenNKWD, gebracht worden. Am 4. August mußte die Regierung einräumen, daß Nin in ein besonderes Schutzhaftgefängnis verschleppt worden und von dort «verschwunden» sei. Der Vorgang erregte weit über Spanien hinaus größtes Aufsehen und löste internationale Proteste aus. Bereits Anfang August meldete der Korrespondent der «New York Times», Nin sei am Rande der Hauptstadt ermordet aufgefunden worden. Tatsächlich war Nin von Agenten des (im republikanischen Spanien faktisch überall präsenten) sowjetischen NKWD entführt, verhört und gefoltert worden, hatte sich aber standhaft geweigert, nach Moskauer Vorbild seine angeblichen Verbrechen zu gestehen. Er mußte seine Gradlinigkeit teuer bezahlen. Deutsche Mitglieder der Internationalen Brigaden täuschten einen Befreiungsversuch der Gestapo aus dem Gefängnis in Alcalá vor, wo Nin festgehalten wurde. Anschließend wurde er in einen geschlossenen Wagen gebracht und ermordet. Nin war eines von zahlreichen Opfern des NKWD, aber das bisher bekannteste unter ihnen.
    Nichts hat die Sympathien europäischer Linker und Liberaler für die spanische Republik so erschüttert wie die zahllosen Morde, die Agenten des sowjetischen Geheimdienstes hinter der Bürgerkriegsfront an den angeblichen Trotzkisten des POUM verübten. (Daß bald auch kommunistische Führer wie Emilio Kléber, der 1937 in die Sowjetunion zurückbeordert wurde, dem stalinistischen Terror zum Opfer fielen, erfuhr man erst später). Der POUM unterhielt enge Beziehungen zu einigen linkssozialistischen Parteien Europas, darunter der Independent Labour Party (ILP) und der Anfang Oktober durch Abspaltung von der SPD entstandenen Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP). Unter den Sympathisanten der ILP war auch

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