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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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«apaisement» gegenüber Deutschland, hielt es für angebracht, seinen tschechoslowakischen Kollegen Kamil Krofta am 2. Oktober in einer Botschaft der «tiefen Sympathie» zu versichern, «mit welcher ich von Stunde zu Stunde während der nationalen und so schmerzhaften Prüfung Ihre noble und mutige persönliche Aktivität verfolgte». Eine Umfrage zeigte, daß längst nicht alle Franzosen die Haltung ihrer Regierung und der Mehrheit der Deputiertenkammer billigten. 57 Prozent beantworteten die entsprechende Frage mit Ja, 37 Prozent verneinten sie. Auf die Frage, ob Frankreich und Großbritannien sich künftigen Forderungen Hitlers widersetzen sollten, gaben 70 Prozent eine bejahende und 17 Prozent eine verneinende Antwort.
    Eine unmittelbare Folge des Münchner Abkommens war das endgültige Zerbrechen des Volksfrontbündnisses. Die Radicaux verweigerten auf Drängen Daladiers nach dem «Non» des PCF jede weitere Zusammenarbeit mit den Kommunisten. Kurz darauf gingen auch die Sozialisten, als Reaktion auf die rigorose Finanzpolitik des neuen, am 1. November ernannten Finanzministers Paul Reynaud und seine Kampagne gegen die Vierzig-Stunden-Woche, in die Opposition. (Bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz, auf das sich Reynauds Maßnahmen stützten, hatte sich die SFIO am 4. Oktober der Stimme enthalten). Ein Generalstreik, zu dem die CGT am 30. November 1938 aufrief, erwies sich zwar nicht als Fehlschlag, aber nochweniger als voller Erfolg: Weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer nahmen daran teil.
    Der Streit um das Münchner Abkommen trieb Ende des Jahres innerhalb der SFIO einen Keil zwischen den Generalsekretär Paul Faure und den Fraktionsvorsitzenden Léon Blum: Faure wollte die Besänftigungspolitik gegenüber Deutschland konsequent weiterführen, während Blum, ungeachtet seines Bekenntnisses zur internationalen Abrüstung, Widerstand gegenüber der Aggression forderte und sich damit der kämpferischen Haltung des linken Parteiflügels um Jean Zyromski annäherte. Eine entsprechende Entschließung Blums fand im Dezember auf einem Sonderkongreß der Sozialisten im Pariser Vorort Montrouge eine knappe Mehrheit. Ein ähnlicher Riß ging durch die CGT, wobei die Kritiker des Münchner Abkommens um den Vorsitzenden Léon Jouhaux auf einem Kongreß der Gewerkschaft Mitte November in Nantes aber eine Zweidrittelmehrheit hinter sich brachten. Die Regierung Daladier, durch den Fehlschlag des Generalstreiks und die Gespaltenheit der Opposition noch gestärkt, konnte ihren Kurs der Verständigung gegenüber Deutschland unbehindert fortsetzen. Am 6. Dezember unterzeichneten die Außenminister Bonnet und Ribbentrop in Paris einen Nichtangriffspakt, in dem Deutschland auch die bestehenden Grenzen zu Frankreich ausdrücklich als endgültig anerkannte. Das Abkommen hatte denselben Wert wie jene schriftliche Bekundung des wechselseitigen Friedenswillens, zu der Chamberlain Hitler am 1. Oktober in München hatte bewegen können – nämlich keinen.
    Für den Hauptbetroffenen des Münchner Abkommens, die Tschechoslowakei, war der Vertragsabschluß eine Katastrophe: Sie war von den Westmächten zur Kapitulation vor Hitler gezwungen worden. Erst nach Abschluß der Verhandlungen hatten Briten und Franzosen die nach München gereisten Vertreter der CSR über die Beschlüsse offiziell in Kenntnis gesetzt. Es blieb nicht beim Verlust der überwiegend von Deutschen bewohnten Gebiete der Tschechoslowakei. Am späten Abend des 30. September, kurz vor Mitternacht, ging in Prag ein polnisches Ultimatum ein, das die Abtretung des Gebiets um Teschen bis zum 1. Oktober, 12 Uhr, verlangte. Die tschechoslowakische Regierung fügte sich; am 2. Oktober erfolgte die Besetzung des umstrittenen Territoriums durch polnische Truppen. Der mit Deutschland abgestimmte Coup war in Polen so populär, daß der Regierungsblock OZNbei den Neuwahlen im November bei einer Wahlbeteiligung von 67,4 Prozent fast alle wählbaren Senatorensitze und 161 von 208 Mandaten im Sejm erobern konnte.
    Drei Tage nach dem Einmarsch der Polen im Teschener Gebiet, am 5. Oktober, trat Präsident Beneš zurück. Am 2. November mußte sich die CSR dem (ersten) Wiener Schiedsspruch der beiden Achsenmächte Deutschland und Italien unterwerfen, der einen großen Teil der südlichen Slowakei mit überwiegend ungarischer Bevölkerung Ungarn zuschlug. Am 19. November schuf Prag den gesetzlichen Rahmen für die faktisch schon bestehende Autonomie der

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