Geschichte des Westens
Unterwasserflotte befahl und im März vorbereitende Arbeiten für die Errichtung eines Reichskolonialamtes anordnete.
Am 12. Februar, zwei Tage nach seiner geheimen Grundsatzrede, empfing Hitler den slowakischen Politiker Vojtdch Tuka, der wegen Hochverrats 1929 zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilt worden war, und bekundete ihm seine Sympathie für die slowakische Unabhängigkeitsbewegung. Hitlers Entscheidung, das Problem der «Resttschechei» binnen kürzester Zeit zu lösen, war gefallen. Tatsächlich setzte er mit Hilfe slowakischer Separatisten durch, daß die Slowakei am 14. März ihre Unabhängigkeit erklärte.
Für den Abend desselben Tages bestellte Hitler den Nachfolger Beneš’ im Amt des Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik, Emil Hácha, nach Berlin, um ihn zur bedingungslosen Übergabe seines Staates zu zwingen. Am frühen Morgen unterzeichneten Hácha und Außenminister Chvalkovský ein «Abkommen», in dem es hieß, der tschechoslowakische Staatspräsident habe erklärt, daß er, «um eine endgültige Befriedung zu erreichen, das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll in die Hände des Führers des Deutschen Reiches legt».
Unmittelbar danach begann der Einmarsch der Wehrmacht in die «Resttschechei». Am 16. März verkündete Hitler im Prager Hradschin die Errichtung des «Protektorats Böhmen und Mähren». Am 18. März wurde der frühere Außenminister von Neurath zum Reichsprotektor mit faktisch unbegrenzter Eingriffskompetenz ernannt; Staatspräsident Hácha bedurfte fortan des Vertrauens des «Führers und Reichskanzlers». Mit der Slowakei schloß das Reich am 18. März einenSchutzvertrag, der dem neuen Staat enge Bindungen an Deutschland, vor allem in außenpolitischer, militärischer, wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht auferlegte.
Das Protektorat Böhmen und Mähren bedeutete wegen seiner großen industriellen Kapazitäten für die deutsche Rüstungswirtschaft eine beträchtliche Stärkung. Geschickt verstanden es die Nationalsozialisten, Teile des tschechischen Bürgertums an der nun auch hier systematisch betriebenen «Arisierung» des jüdischen Besitzes zu beteiligen und auf diese Weise sich gefügig zu machen. Der unmittelbare militärische Vorteil der Zerschlagung der «Resttschechei» lag darin, daß das von der deutschen Propaganda so oft apostrophierte «Mutterflugzeugschiff» der Sowjetunion in Mitteleuropa nunmehr beseitigt war. Das Deutsche Reich hatte seit dem Frühjahr ein geradezu erdrückendes strategisches Gewicht, das ihm die Hegemonie über Ostmittel- und Südosteuropa dauerhaft zu sichern schien.
«Prag» wurde in mehr als einer Hinsicht zur Zäsur. Hitler hatte bei seinem dritten Griff über die Grenzen auch
die
Grenze überschritten, die einem deutschen Nationalstaat vom Begriff her gesetzt war: die der Zugehörigkeit zur deutschen Nation. Indem Deutschland sich den tschechischen Teil der Tschechoslowakei als Protektorat Böhmen und Mähren angliederte, hörte das Deutsche Reich auf, ein Nationalstaat wie andere zu sein. Der Begriff des «Reiches» gewann nun eine neue, gleichzeitig aber auch wieder sehr alte Qualität. Wenn im Mittelalter, schrieb 1940 der österreichische, seit 1935 im westfälischen Münster lehrende Rechtshistoriker Karl Gottfried Hugelmann, ein entschiedener Großdeutscher, in seinem Buch «Volk und Staat im Wandel deutschen Schicksals», «Größe, Macht und Würde» die «Wesensmerkmale» des Reiches gewesen seien, so gründe sich nunmehr diese Würde «auf das Bewußtsein einer Sendung». Die «Eingliederung» des tschechischen Volkes in das Deutsche Reich sei vom Reichsbegriff her berechtigt und sinnvoll. Es müsse sogar einleuchten, «daß mit der Eingliederung des Protektorats Böhmen und Mähren in das großdeutsche Reich sein Charakter als Reich … nur noch stärker hervortritt.»
Der Staatsrechtler Carl Schmitt verwies 1939 in seiner unmittelbar nach der Errichtung des Protektorats verfaßten Schrift «Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte», der erweiterten Fassung eines am 1. April an der Universität Kiel gehaltenen Vortrags, auf den deutschen Sprachgebrauch, der «diegroßen, geschichtsträchtigen Gebilde – das Reich der Perser, der Mazedonier und der Römer, die Reiche der germanischen Völker wie die ihrer Gegner – in einem spezifischen Sinne immer ‹Reiche› genannt hat». Das Deutsche Reich in der Mitte Europas liege
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