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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Roosevelt Hitler und Mussolini um die Zusicherung ersucht, 31 namentlich genannte Länder zumindest in den nächsten 25 Jahren nicht anzugreifen. Wenn Deutschland und Italien eine ähnliche Aufforderung an die Vereinigten Staaten richten sollten, sagte Hitler, würde Roosevelt sich gewiß auf die Monroe-Doktrin berufen (wonach europäische Mächte sich nicht in die Angelegenheiten Nord-, Mittel- und Südamerikas einmischen durften). «Genau die gleiche Doktrin vertreten wir Deutsche nun für Europa, auf alle Fälle aber für den Bereich und die Belange des Großdeutschen Reiches». Eine «deutsche Monroe-Doktrin» im Sinne der Forderung «Deutschland für die Deutschen» hatte Hitler bereits im Oktober 1930 in einem Interview mit einer amerikanischen Nachrichtenagentur postuliert. Die Ausweitung auf Europa ging vermutlich auf Carl Schmitt zurück, der in seinem Kieler Vortrag auf das amerikanischeVorbild verwiesen hatte. Offenkundig über hochrangige nationalsozialistische Juristen war das Konzept zur Kenntnis Hitlers gelangt, der es fortan als seine Schöpfung betrachtete.
    Dreieinhalb Wochen nach seiner Reichstagsrede, am 22. Mai 1939, schloß Hitler mit Mussolini den sogenannten «Stahlpakt». Er verpflichtete beide Länder, dem jeweils anderen unverzüglich militärisch zu Hilfe zu kommen, wenn dieses Krieg führen sollte. Dabei war es völlig unerheblich, ob es sich um einen Verteidigungs- oder einen Angriffskrieg handelte. Vielmehr waren allein der «Lebensraum» und die «Lebensinteressen» beider Mächte maßgeblich. Der italienische Außenminister Graf Ciano, Mussolinis Schwiegersohn, kommentierte das Abkommen in seinem Tagebuch mit der Bemerkung: «Ich habe noch nie einen ähnlichen Vertrag gelesen: Er ist reinstes Dynamit.»
    Der «Duce» war auf das Ansinnen des «Führers» eingegangen, weil er dessen Beteuerung Glauben schenkte, der große Krieg werde erst in einigen Jahren zu führen sein. Tatsächlich war Italien im Jahr 1939 militärisch noch keineswegs in der Lage, die Rolle zu spielen, die Hitler ihm zugedacht hatte. Das Lager der «Verbündeten» Deutschlands im weiteren Sinn war inzwischen weiter angewachsen: Nach Japan und Italien hatten sich am 24. Februar 1939 der japanische Satellitenstaat Mandschukuo und Ungarn, am 27. März das Spanien Francos dem Antikominternpakt angeschlossen. Was diese Länder im Ernstfall zugunsten des Reiches unternehmen würden, blieb aber völlig offen – namentlich dann, wenn Hitler das Unerhörte wagen und sich mit Stalin verbünden sollte.
    Über die künftige außenpolitische Richtung der Sowjetunion konnte man bis zum August 1939 ebenfalls nur spekulieren. Am 24. Mai fiel im britischen Kabinett die von Chamberlain nur widerstrebend akzeptierte, von Daladier erhoffte Entscheidung, mit Moskau in Verhandlungen über ein militärisches Bündnis einzutreten. Die öffentliche Meinung Großbritanniens befürwortete einen solchen Pakt: In einer Umfrage sprachen sich im Juni 1939 84 Prozent der Befragten für eine britisch-französisch-sowjetische Militärallianz aus. Doch erst am 24. Juli kam eine Übereinkunft zustande, die nach Abschluß einer Militärkonvention in Kraft treten sollte. Die gegenseitige Beistandspflicht galt demnach für den Fall eines direkten oder indirekten Angriffs auf eine der drei Mächte sowie auf Finnland, die baltischen Staaten, Polen, Belgien, Rumänien, Griechenland und dieTürkei. Auf der Ausdehnung des casus belli auf den Fall der nur schwer definierbaren indirekten Aggression hatte Stalin bestanden, ebenso auf der Einbeziehung der baltischen Staaten und Finnlands, die sowjetische Hilfe gar nicht wünschten.
    Die Militärverhandlungen, zu denen die westlichen Experten auf dem zeitraubenden Seeweg über Leningrad anreisten, begannen am 12. August. Als neuralgischer Punkt erwies sich eine sowjetische Forderung, auf die die Warschauer Regierung nicht einzugehen bereit war: das Recht der Roten Armee, über das polnische Territorium nach Westen vorzustoßen. Der französische Vertreter erhielt von Paris den Auftrag, dem Vertrag in der von der sowjetischen Seite gewünschten Form trotzdem zuzustimmen. Der britische Vertreter wurde von seiner Regierung lediglich zu der Erklärung ermächtigt, daß Polen im Kriegsfall wahrscheinlich die sowjetische Unterstützung annehmen würde. Das war kein Ergebnis, mit dem die sowjetische Seite zufrieden sein konnte.
    Chamberlains Mißtrauen gegenüber Stalin war auch im Sommer 1939 mindestens

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