Geschichte des Westens
erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen mit Washington kommen sollte. Am 5. November bestätigte eine Kaiserliche Konferenz diese Entscheidung. Den Ausschlag gab die Überzeugung, daß das Kaiserreich nur durch einen Befreiungsschlag verhindern konnte, daß es zwei Jahre später kein Erdöl mehr für militärische Zwecke gab. Die japanische Führung glaubte im November 1941 in der Tat, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Aber es war ihre eigene Politik, durch die sie in die Sackgasse geraten war – die Politik, die Tokio mit dem Einmarsch in die Mandschurei im September 1931 begonnen und mit dem Krieg gegen China im Juli 1937 fortgesetzt hatte.[ 9 ]
Als Hitler die Sowjetunion angriff, zögerte der eingefleischte Antikommunist Winston Churchill keinen Augenblick, die Sowjetunion als Schicksalsgenossen und Kampfgefährten zu begrüßen. Noch am Abend des 22. Juni 1941 erklärte der Premierminister in einer Rundfunkrede, die auch von Millionen Amerikanern gehört wurde, die Gefährdung Rußlands sei «unsere eigene Gefährdung und die Gefährdungder Vereinigten Staaten, und der Kampf der Russen für Heim und Herd ist der Kampf aller freien Menschen und aller freien Völker in allen Teilen der Welt».
Zwei Tage nach Churchills Rede nannte Präsident Roosevelt es in einer Pressekonferenz «selbstverständlich», daß die USA Rußland alle Hilfe leisten würde, die ihnen möglich sei. In einer weiteren Erklärung vom 26. Juni machte Roosevelt deutlich, daß er sich nicht zu Ungunsten der Sowjetunion auf das Neutralitätsgesetz berufen werde. Über drei Dinge war sich der Präsident spätestens seit dem deutschen Sieg über Frankreich im Juni 1940 im Klaren: Erstens würden die USA besser früher als später in den Krieg, den er seit März 1941 den «Zweiten Weltkrieg» nannte, eintreten
müssen
; zweitens ging die größte Bedrohung für sein Land von dem aggressivsten der Diktatoren, von Adolf Hitler, aus; drittens war es nach wie vor so gut wie aussichtslos, im Kongreß Mehrheiten für eine Kriegserklärung zu erhalten.
Weil er dies wußte, schuf der Präsident, wo immer das möglich war, vollendete Tatsachen. Schon im Mai 1941 hatte er den nationalen Notstand ausgerufen: ein Akt, mit dem sich außerordentliche Maßnahmen begründen ließen. Anfang Juli schickte Roosevelt mit Zustimmung der Regierung in Reykjavik eine 4400 Mann starke Truppe von Marineinfanteristen nach Island. Sie sollten dort britische und kanadische Truppen ablösen, die die Insel im Nordatlantik im Mai 1940 besetzt hatten, aber nach Churchills Meinung auf den Kriegsschauplätzen in Europa und Nordafrika benötigt wurden. Island hatte für den Seekrieg überragende strategische Bedeutung und durfte darum keinesfalls in deutsche Hände fallen: Darin wußte sich der Präsident mit den führenden Militärs einig.
Im Unterschied zur Besetzung Islands bedurfte die von Roosevelt angestrebte Novellierung des Selective Service Act vom September 1940 der Zustimmung des Kongresses. Ziel der Vorlage war es, die Dienstzeit der Wehrpflichtigen für die Dauer des nationalen Notstandes zu verlängern, ihren Einsatz auch außerhalb der westlichen Hemisphäre zu ermöglichen und die Obergrenze von 900.000 Mann für die Armee aufzuheben. Im Senat erhielt der Entwurf Anfang August nach leidenschaftlichen Debatten eine deutliche Mehrheit von 45 zu 30 Stimmen. Im Repräsentantenhaus fiel die Abstimmung denkbar knapp aus: 203 Ja-Stimmen standen 202 Nein-Stimmen gegenüber. Wäre es nach den Isolationisten gegangen, hätten die USA im Augenblick ihrer bisherernstesten äußeren Bedrohung ihre militärische Abwehrkraft weitgehend eingebüßt.
Noch bevor Roosevelt die Kraftprobe im Kongreß gewann, hatte sich sein engster Berater Harry Hopkins, der auch Leiter des Leih- und Pachtprogramms war, Ende Juli mit der Unterstützung des Präsidenten und des State Departement von Großbritannien aus über die Polarroute nach Moskau begeben, um sich bei Stalin über dessen Vorstellungen von amerikanischer Hilfe zu erkundigen. Für den sowjetischen Partei- und Regierungschef waren Luftabwehrkanonen, Maschinengewehre und Gewehre das, was die Sowjetunion am dringendsten benötigte. Darüber hinaus griff Stalin Hopkins’ Vorschlag einer amerikanisch-britisch-sowjetischen Konferenz in Moskau auf. An Roosevelt erging der Appell, möglichst bald in den Krieg einzutreten. Ohne amerikanische Hilfe würden die Sowjetunion und Großbritannien die deutsche Militärmacht kaum
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