Geschichte des Westens
Horthy am 18. März 1944 auf Schloß Kleßheim ein Ultimatum: Mit der Drohung, militärisch gegen Ungarn vorzugehen, zwang er den Reichsverweser, einer Besetzung seines Landes zuzustimmen, eine deutschfreundliche Regierung einzusetzen und 100.000 Juden für einen angeblichen Arbeitseinsatz in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Tags darauf wurde Ungarn von deutschen Truppen besetzt. An die Spitze der Regierung trat der frühere Botschafter in Berlin, Generalleutnant Döme von Sztójay. Einige der engsten Mitarbeiter Horthys wurden verhaftet und in deutsche Konzentrationslager eingeliefert.
Am 20. März traf der Judenbeauftragte des Reichssicherheitshauptamtes, Adolf Eichmann, in Budapest ein. Unter seiner Ägide begann das letzte Kapitel der Bemühungen des «Dritten Reiches», die ungarischen Juden in die «Endlösung der Judenfrage» einzubeziehen. Am 7. April nahmen unter aktiver Beteiligung der Gendarmerie und teilweise sogar unter dem Beifall der Bevölkerung die Verhaftungen von Juden in der ungarischen Provinz ihren Anfang, gefolgt von den ersten Deportationen nach Auschwitz im Mai: Tag für Tag traten zwischen 12.000 und 14.000 Juden den Weg in das Vernichtungslager an.
Sehr viel früher als Ungarn beteiligte sich die Slowakei an der Judenvernichtung. Ende März 1942 fuhr der erste Deportationszug mit 999 jungen Frauen nach Auschwitz, und das nicht auf deutsches Drängen hin, sondern weil die Regierung unter Ministerpräsident Vojtdch Tuka, einem radikalen Antisemiten, dies so wünschte: Sie wollte sich nach der weitgehenden «Arisierung» des jüdischen Eigentums nicht mit der Fürsorge für die verarmten Juden belasten. Anfang 1942 hattedie Slowakei dem Reich bereits 20.000 arbeitsfähige Juden für Zwecke der Zwangsarbeit zur Verfügung gestellt (sie wurden beim Bau des Lagers Auschwitz-Birkenau beschäftigt). Bis Ende Juni 1942 wurden etwa 52.000 Juden nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager deportiert. Dann aber erhob Staatspräsident Joseph Tiso, ein katholischer Prälat, auf Ermahnungen aus dem Vatikan hin Bedenken und erreichte eine zeitweilige Unterbrechung der Deportationen, was am 30. Juni zu einer (wenn auch sehr verhalten formulierten) Demarche des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Ernst von Weizsäcker, führte. Im September 1943 gingen auf Grund des deutschen Drängens nochmals drei Transporte nach Auschwitz ab.
Im März 1943 lebten nur noch 20.000, überwiegend getaufte, Juden in der Slowakei. Als Ministerpräsident Tuka von der Möglichkeit sprach, auch diese Juden den Deutschen auszuliefern, kam es zu Protesten des katholischen Klerus und auch aus der Bevölkerung, woraufhin der Regierungschef sein Vorhaben nicht mehr weiterverfolgte. Tiso zeigte bei einem Treffen mit Hitler am 22. April 1943 keine Bereitschaft, die konvertierten Juden zu deportieren. Er konnte bei dieser Linie auch deshalb bleiben, weil der Druck aus Berlin angesichts der vergleichsweise geringen Zahl der Juden, die noch in der Slowakei lebten, nicht allzu massiv war.
Wie die Slowakei verhielt sich auch Bulgarien in Sachen Judendeportation gegenüber dem Deutschen Reich zunächst sehr kooperativ. Im Juni 1942 ließ sich die Regierung des Ministerpräsidenten Bogdan Filov vom Parlament zur Lösung des Judenproblems ermächtigen. Mit Zustimmung von Zar Boris III. wurden daraufhin die etwa 1100 Juden aus zwei Gebieten, die Bulgarien im April 1941 auf Grund seiner Beteiligung an den beiden deutschen Balkanfeldzügen hatte annektieren können – dem ehedem griechischen Thrakien und dem bis dahin jugoslawischen Mazedonien –, im Frühjahr 1943 den Deutschen überantwortet und in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. Der Abtransport der bulgarischen Juden, die im Unterschied zu denen aus Thrakien und Mazedonien nicht als Ausländer galten, sollte, wie Zar Boris es Abgesandten der SS versprochen hatte, kurz darauf erfolgen. Doch als im Parlament und bei der orthodoxen Kirche Protest dagegen laut wurde, lenkte der Monarch ein. Die etwa 25.000 bulgarischen Juden blieben im Lande und überlebten den Holocaust.
Selbst in Finnland, wo nur 150 bis 200 Juden ausländischer Herkunftlebten, drängte Deutschland nachdrücklich auf einen Beitrag zur «Endlösung». Kurz nachdem Himmler persönlich bei einem Besuch in Helsinki im Juli 1942 die Auslieferung dieser Juden verlangt hatte, begann die Geheimpolizei Listen mit den Namen und Adressen der betroffenen Personen zusammenzustellen, die dann den
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