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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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gegenüber dem mörderischen Rassenwahn des deutschen Verbündeten kam die Sorge, daß Italien im Fall einer deutschen Niederlage von den Siegermächten als Komplize eines gigantischen Verbrechens haftbar gemacht werden könnte. Trotz der Einwände Roattas ordnete Mussolini Mitte Oktober die Internierung der im italienisch besetzten Teil Kroatiens lebenden Juden und ihre Auslieferung an Kroaten und Deutsche an. Die Internierung in einem Lager auf der Insel Rab erfolgte, die Auslieferung aber unterblieb. Auf Grund einer neuen, von Roatta erwirkten Weisung des «Duce» wurde die Entscheidung über das weitere Schicksal der Lagerinsassen bis zum Frühjahr 1943 verschoben. Erst nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 und der Unterzeichnung eines Waffenstillstands zwischen Italien und den Westalliierten am 8. September konnten die Deutschen sich eines Teils der im bisherigen italienischen Besatzungsgebiet Kroatiens lebenden Juden bemächtigen und sie nach Auschwitz deportieren – ein anderer Teil hatte sich inzwischen den Partisanen Titos angeschlossen.
    Bis zum Sommer 1942 schien es, als würde auch der rumänische «Conducator» Ion Antonescu, ein getreuer Verbündeter Hitlers,Deutschland bei der «Endlösung der Judenfrage» genau so unterstützen wie im Kampf gegen die Sowjetunion. In den ersten zwölf Monaten des Krieges im Osten brachten Armee und Gendarmerie Rumäniens in den rückeroberten Gebieten Bessarabien und Nordbukowina zwischen 280.000 und 380.000 Juden um; im Oktober 1941 ermordeten rumänische Truppen nach dem Einmarsch in Odessa zwischen 45.000 und 50.000 der dort lebenden Juden. Doch im Herbst 1942 begann sich der Bukarester Diktator, vermutlich auch unter dem Eindruck militärischer Rückschläge der Achsenmächte, umzuorientieren. Im Oktober schob er die den Deutschen bereits zugesagte Deportation der noch lebenden 300.000 rumänischen Juden zunächst bis zum Frühjahr 1943 auf, ließ dann aber schon im November einem Beauftragten Himmlers mitteilen, daß Rumänien die deutsche Haltung gegenüber den Juden mißbillige. Offenkundig hatte der Druck, den Berlin gegenüber Bukarest ausübte, das Gegenteil des Gewollten bewirkt. Militärische Gewalt gegenüber dem widerborstigen «Conducator» anzuwenden konnte Hitler sich angesichts der militärischen Lage an der Ostfront nicht leisten. Infolgedessen mußte er die rumänische Weigerung, die Judenvernichtung fortzusetzen, hinnehmen.
    Ungarn war in der Ära Horthy kaum weniger antisemitisch als das Rumänien Antonescus. Der judenfeindlichen Rassengesetzgebung vom Mai 1939 folgte im Frühjahr 1942 die Verstaatlichung von Land, das sich in jüdischem Besitz befand. Juden wurden zu Arbeitsbataillonen an der Ostfront eingezogen, wo viele von ihnen umkamen. Um dieselbe Zeit aber vollzog Admiral Horthy, der Reichsverweser, eine außenpolitische Wende. In der Erwartung, daß das «Dritte Reich» am Ende den Alliierten unterliegen würde, ersetzte er im März 1942 den unbedingt deutschfreundlichen Ministerpräsidenten László von Bárdossy durch den Grundbesitzer Miklós von Kállay, der als entschiedener Gegner sowohl der ungarischen Nationalsozialisten, der Pfeilkreuzler unter Férenc Szálasi, wie des deutschen Nationalsozialismus galt und, den Wünschen Horthys entsprechend, die Verbindung zu den Westmächten suchte.
    Kállay verweigerte sich zunächst der deutschen Forderung, auch in Ungarn den Judenstern einzuführen, und dann auch dem Verlangen des Reiches, mit der Deportation der etwa 800.000 ungarischen Juden zu beginnen. Ein Gespräch, das Hitler im April 1943 mit Horthy auf Schloß Kleßheim bei Salzburg führte, erbrachte keine Annäherung derStandpunkte. Im Mai 1943 sprach sich Kállay in einer öffentlichen Rede zwar für die restlose Aussiedlung der Juden aus Europa aus, erklärte aber gleichzeitig, daß die wichtigste Voraussetzung für eine solche Lösung der Judenfrage nicht gegeben sei: die Klärung des Problems, wo die Juden angesiedelt werden sollten. Darüber hinaus bekannte sich der Ministerpräsident demonstrativ zu einem Ideal, das der nationalsozialistischen Weltanschauung strikt entgegengesetzt war: «Ungarn wird nie vom Weg seiner Humanität abweichen, die es im Lauf seiner Geschichte auf rassischem und konfessionellem Gebiet stets geübt hat.»
    Ein knappes Jahr später entschloß sich Hitler zum Handeln. Um dem Überwechseln Ungarns in das Lager der Alliierten zuvorzukommen, stellte er bei einer weiteren Begegnung mit

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