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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Luftangriffen, die 1943 dazu beitrugen, die Stimmungslage in der italienischen Bevölkerung zu verschlechtern. Aber da es der erste Angriff auf die Hauptstadt der «Impero» war, hatten die Bombenabwürfe vom 19. Juli doch eine besondere politische und symbolische Bedeutung.
    Am gleichen Tag nahm die Verschwörung gegen den «Duce» festere Formen an. Der König legte sich auf die Entlassung Mussolinis fest. Grandi verfaßte mehrere Schriftstücke, in denen er seine Vorstellungen von einer Rückkehr Italiens zu verfassungsmäßigen Zuständen und damit zur Abschaffung der Diktatur des «Duce» konkretisierte. Am21. Juli trug er sein Vorhaben Mussolini persönlich vor. Dieser war inzwischen durch Roberto Farinacci, den radikalen Parteichef von Cremona, über die Pläne Grandis und seiner Verbündeten, der gemäßigten und der Monarchie wohlgesinnten Faschisten, in Kenntnis gesetzt worden und hatte Farinaccis Vorschlag zugestimmt, die innerparteilichen Gegner in einer Sitzung des Gran Consiglio del Fascismo, des seit Jahren nicht mehr einberufenen höchsten Parteigremiums, zur Rede zu stellen. Als Datum der Sitzung bestimmte Mussolini den späten Abend des 24. Juli, als Ort seinen Amtssitz, den Palazzo Venezia.
    In der Sitzung des faschistischen Großrats beging der «Duce» einen schweren Fehler: Er ließ, obwohl das Gremium eine bloß beratende, aber keine beschließende Funktion hatte, eine Abstimmung über den Antrag Grandis zu. 28 Mitglieder stimmten für, 19 gegen die Vorlage des Kammerpräsidenten. Das war nicht mehr und nicht weniger als ein Mißtrauensvotum gegen den Diktator. Dieser vertraute noch immer auf die Unterstützung des Königs und des Militärs und maß darum seiner Niederlage keine große Bedeutung bei. Doch Viktor Emanuel III. war entschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Die Abstimmung im Großrat machte es unwahrscheinlich, daß die faschistische Partei und ihre Anhänger sich gegen die beabsichtigte Entlassung des Ministerpräsidenten auflehnen würden. Also galt es sofort zu handeln.
    Als Mussolini am Nachmittag des 25. Juli zur Audienz beim König in der Villa Savoia erschien, hatte er lediglich vor, Viktor Emanuel den militärischen Oberbefehl im Krieg zurückzugeben, den dieser ihm, ohne vom Ministerpräsidenten dazu gedrängt worden zu sein, am 10. Juni 1940 übertragen hatte. Der König aber bat den «Duce» nur knapp um seinen Rücktritt und teilte ihm mit, daß Marschall Badoglio faktisch bereits die Regierung übernommen habe. Beim Verlassen der königlichen Residenz wurde Mussolini von Carabinieri verhaftet. Nach kurzen Zwangsaufenthalten auf der Sträflingsinsel Ponza und der vor der Küste Sardiniens gelegenen Insel La Madalena wurde der entmachtete «Duce» am 28. August in einem Berghotel auf dem Gran Sasso in den Abruzzen gefangen gesetzt.
    Der unblutige Staatsstreich vom 24./25. Juli 1943 war nur möglich, weil das faschistische Italien weniger «totalitär» war, als es dem Anspruch des Regimes entsprach. Es gab eine legitime Gewalt neben und formell über dem «Duce», die Monarchie, und in der Systemkrise vom Sommer 1943 erwies sich, daß der Träger der Krone, nicht zuletztdank seiner Unterstützung durch die Heeresführung, immer noch die Kraft hatte, die Rolle einer Gegenmacht zu übernehmen. Zudem war das faschistische Italien auch in anderer Hinsicht weniger als das nationalsozialistische Deutschland ein «Führerstaat»: Das «Dritte Reich» kannte kein Gremium wie den Großrat des Faschismus, das von einer innerparteilichen Opposition zu Aktivitäten gegen den Mann an der Spitze genutzt werden konnte. Schließlich war die Kontrolle über die Bevölkerung in Italien sehr viel weniger dicht und umfassend als beim Verbündeten nördlich der Alpen. Wäre es anders gewesen, hätten die Streiks vom Frühjahr 1943 im Industriebereich Turin-Mailand-Genua gar nicht stattfinden und die Diktatur des «Duce» einige Monate später nicht widerstandslos implodieren können.
    Die Regierung Badoglio war kein alternatives faschistisches Regime, wie es Grandi und seinen Freunden vorgeschwebt hatte, sondern im Kern ein Militärkabinett, das einige Posten, auch den des Innenministers, mit Zivilkommissaren, darunter amtierenden und ehemaligen Präfekten, besetzte. Badoglio selbst war bis zu seiner Absetzung als Generalstabschef im Jahr 1940 ein getreuer Gefolgsmann Mussolinis gewesen und hatte sich, in Libyen und anderswo, schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Der

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