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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Nachweltkriegszeit ihren Stempel aufzudrücken versuchten. Das andere Projekt wurde auf Einladung der USA zwischen dem 1. und dem 22. Juli 1944 in Bretton Woods im Bundesstaat New Hampshire beraten. Bei dieser Konferenz, an der die Vertreter von 44 Regierungen der Anti-Hitler-Koalition teilnahmen, ging es um die Währungs-, Zahlungs- und Handelsfragen der Nachkriegszeit. Das Ergebnis, das mehr die Handschrift des amerikanischen Finanzexperten Harry Dexter White als die des britischen Chefdelegierten John Maynard Keynes erkennen ließ, war die Errichtungdes Bretton-Woods-Systems mit seinen vorerst zwei Säulen, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. (Als dritte Säule sollte 1947 das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen, das GATT, hinzukommen). Die Mitgliedstaaten des IWF vereinbarten, nun eine freie Konvertibilität der Währungen vorzubereiten und zu sichern, feste Gold- und Dollarparitäten – den «Dollarstandard», der zunächst bei 35 US-Dollar für eine Unze Feingold lag.
    Die amerikanische Zentralbank war verpflichtet, jederzeit Dollar in Gold einzulösen. Die anderen Mitglieder des Bretton-Woods-Systems banden sich durch feste Wechselkurse an den Dollar. Auf- und Abwertungen in einer Marge von bis zu 20 Prozent waren nur bei dauerhaften Ungleichgewichten und nur im Rahmen einer internationalen Vereinbarung möglich. Autonom in ihrer Geld- und Währungspolitik waren mithin nur die USA. Der gemischte Gold-Dollar-Standard war weniger starr als der frühere reine Goldstandard oder der zwischen 1925 und 1931 praktizierte Golddevisenstandard: Die Möglichkeit, die Parität aller Währungen im Verhältnis zum Gold zu ändern, verbürgte, ebenso wie die Möglichkeit der begrenzten Auf- und Abwertung einzelner Währungen, ein beträchtliches Maß an Flexibilität. Funktionieren konnte das System von Bretton Woods aber nur, solange die Vereinigten Staaten keine großen Außenhandelsdefizite hatten und eine Politik der knappen Geldmenge betrieben – Voraussetzungen, die bis in die frühen sechziger Jahre hinein gegeben waren.
    Die wichtigsten Ziele, zu denen sich der Internationale Währungsfonds, eine Sonderorganisation der UNO, bekannte, waren die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik, die Erleichterung des Welthandels, die Sicherheit geordneter Währungsbeziehungen, die Schaffung eines multilateralen Zahlungssystems nebst Beseitigung von Einschränkungen des Devisenverkehrs sowie die Erleichterung des Zahlungsbilanzausgleichs durch Kreditwährung an die Mitgliedsländer. Aufgabe der Weltbank oder, wie sie ursprünglich hieß, International Bank for Reconstruction and Development, war es, mittels Vergabe von Anleihen an Regierungen oder Privatunternehmen die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten zu fördern.
    Aus amerikanischer Sicht nahmen die USA mit der Initiative von Bretton Woods endlich die weltwirtschaftliche Führungsrolle wahr, die ihnen objektiv schon nach dem Ersten Weltkrieg zugefallen war, der sie sich aber mit katastrophalen Folgen für die Weltwirtschaft entzogenhatten. Die Architekten des neuen Währungsabkommens sahen in den Vereinigten Staaten
den
globalen Stabilisator – die Weltmacht, die die richtigen Konsequenzen aus den Wirtschafts- und Finanzkrisen der Zwischenkriegszeit zog, indem sie ihre materiellen Ressourcen im wohlverstandenen Eigeninteresse in den Dienst einer auf anhaltendes, ungestörtes Wachstum ausgerichteten Weltwirtschaft stellte und damit einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens, ja zu einer Art von globalem New Deal leistete.
    Stalins Blickwinkel war ein radikal anderer: Für den sowjetischen Diktator bildete die Erhebung des Dollars zur Weltreservewährung den klaren Beweis für die imperialistischen Absichten der Vereinigten Staaten. Infolgedessen unterzeichneten weder die Sowjetunion noch die von ihr abhängigen Staaten 1945 das Bretton-Woods-Abkommen. Die Möglichkeit, bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten auf den IWF zurückzugreifen und bei starken Dollarschwankungen zu intervenieren, hatten daher nur «kapitalistische» Staaten. Ihnen brachten die an Dollar und Gold gebundenen Wechselkurse lange Zeit große Vorteile. Der entstehende «Ostblock» hingegen schottete sich unter sowjetischer Ägide gegen alles ab, was die USA in ihrer hegemonialen Rolle bestärken konnte. Im internationalen Währungsbereich waren die Umrisse der Ost-West-Konfrontation der Nachkriegszeit mithin schon 1945 zu

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