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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Konferenz hatten Truman, Churchill und Stalin offenbar nicht bedacht. Neben dem dilatorischen Charakter des Reparationskompromisses trug der französische Einspruch gegen deutsche Zentralverwaltungsstellen entscheidend dazu bei, daß die wirtschaftliche Einheit Deutschlands ein bloßes Postulat blieb. Die in Teheran und Jalta in Aussicht genommene «Zerstückelung» Deutschlands hatten die «Großen Drei» in Deutschland zwar ad acta gelegt, einer Teilung des besetzten Deutschland aber keinen Riegel vorgeschoben. Ob es je wieder zu einer wirtschaftlichen und staatlichen Einheit Deutschlands kommen würde, war im Sommer 1945 völlig offen.
    Im Gegensatz zur polnischen Westgrenze und dem Reparationsproblem waren die meisten anderen Aspekte der deutschen Frage nur wenig oder gar nicht umstritten. Das erste Ziel ihrer Deutschlandpolitik beschrieben die drei Alliierten im Potsdamer Abkommen mit den Worten: «Der deutsche Militarismus und Nationalismus werden ausgerottet, und die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann». Gleichzeitig versicherten die Verbündeten, daß es nicht ihre Absicht sei, «das deutsche Volk zu vernichten oder zu versklaven». Die Alliierten wollten vielmehr «dem deutschen Volk die Möglichkeit geben, sich darauf vorzubereiten, sein Leben auf einer demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wiederaufzubauen. Wenn die eigenen Anstrengungen des deutschen Volkes unablässig auf die Erreichung dieses Zieles gerichtet sein werden, wird es ihm möglich sein, zu gegebener Zeit seinen Platz unter den freien und friedlichen Völkern der Welt einzunehmen.»
    Zur Erreichung des alliierten Programms sollte Deutschland gemäß den «Politischen Grundsätzen» des Potsdamer Abkommens vollständig abgerüstet und entmilitarisiert, seine Industrie, soweit sie für kriegerische Zwecke benutzt werden konnte, ausgeschaltet beziehungsweiseüberwacht werden. Die NSDAP war zu vernichten, ihre Nebenorganisationen wie SS, SA, SD und Gestapo waren ebenso aufzulösen wie die Land-, See- und Luftstreitkräfte und der Generalstab. Alle nationalsozialistischen Gesetze, die Menschen auf Grund ihrer Rasse, Religion oder politischen Überzeugung diskriminierten, mußten außer Kraft gesetzt werden. Die Kriegsverbrecher und ihre Helfer waren zu verhaften und vor Gericht zu stellen, die nationalsozialistischen Parteiführer und alle Personen, die der alliierten Besetzung und ihren Zielen gefährlich waren, zu verhaften und zu internieren. Eine erste Liste der Hauptkriegsverbrecher sollte am 1. September veröffentlicht werden. Über die Methode des Verfahrens gegen diese Tätergruppe wollten sich die «Großen Drei» so schnell wie möglich verständigen.
    Im Sinne der «endgültigen Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage und einer eventuellen friedlichen Mitarbeit Deutschlands am internationalen Leben» waren das Erziehungs- und das Gerichtswesen sowie die Verwaltung, beginnend mit der kommunalen Selbstverwaltung, in demokratischem Geist neu zu organisieren. In ganz Deutschland waren alle demokratischen politischen Parteien zuzulassen und zu fördern; ihnen stand das Recht zu, Versammlungen einzuberufen und öffentliche Diskussionen durchzuführen. Gewählte Volksvertretungen sollten so rasch wie möglich auf Gemeinde-, Kreis-, Provinz- und Landesebene eingeführt werden. Soweit es die Notwendigkeit der militärischen Sicherheit erlaubte, sollten die Freiheit der Rede, der Presse und der Religion gewährt, die religiösen Einrichtungen respektiert und die Schaffung freier Gewerkschaften gestattet werden. Die Voraussetzung der Erfüllung solcher alliierten Versprechungen aber war die Einsicht der Besiegten: «Das deutsche Volk muß überzeugt werden, daß es eine totale militärische Niederlage erlitten hat und daß es sich nicht der Verantwortung entziehen kann für das, was es selbst dadurch auf sich geladen hat, daß seine eigene mitleidlose Kriegführung und der fanatische Widerstand der Nazis die deutsche Wirtschaft zerstört und Chaos und Elend unvermeidlich gemacht haben.»
    In den «Wirtschaftlichen Grundsätzen» wurde Deutschland die Vernichtung seines Kriegspotentials und eine konsequente Dezentralisierung seiner Wirtschaft aufgegeben. Ziel der Dezentralisierung war es, die

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