Geschichte des Westens
«bestehende übermäßige Konzentration der Wirtschaftskraft» in Form von Kartellen, Syndikaten, Trusts und anderen Monopolvereinigungenzu vernichten. Bei der Reorganisation des Wirtschaftslebens war das Hauptgewicht auf die Entwicklung der Landwirtschaft und der «Friedensindustrie für den inneren Bedarf (Verbrauch)» zu legen. Die alliierte Kontrolle der deutschen Wirtschaft sollte auf das Maß des Notwendigen beschränkt werden. Die Reparationen sollten dem deutschen Volk genügend Mittel belassen, um ohne Hilfe von außen zu existieren. Die Einnahmen aus der Ausfuhr von Erzeugnissen aus der laufenden Produktion und der Warenbestände hatten in erster Linie der Bezahlung der Einfuhren zu dienen, für die bei der Aufstellung des «Haushaltsplanes Deutschlands» die nötigen Mittel bereit zu stellen waren. In diesem Zusammenhang kam den deutschen Verwaltungsstellen große Bedeutung zu – einem Apparat, der nie entstehen sollte, weil das Veto Frankreichs ihn verhinderte.
Keinen Streit gab es unter den Alliierten über die gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen, die die Neuordnung der europäischen Landkarte zur Folge hatte. Während des Zweiten Weltkriegs hatte Churchill immer wieder das Beispiel des griechisch-türkischen Bevölkerungstransfers nach dem Vertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 angeführt: Auf Grund dieser Vereinbarung waren damals 1,5 Millionen Griechen aus Kleinasien, dem Pontusgebiet und Ostthrakien nach Griechenland und 400.000 Türken aus Mazedonien, Thessalien und aus dem Epirus in die Türkei umgesiedelt worden. Einen ähnlichen Bevölkerungsaustausch hatte im November 1919 der Vertrag von Neuilly zwischen der Türkei und Bulgarien vorgesehen. Vertraglich geregelte Zwangsumsiedlungen erschienen den britischen und amerikanischen Staatsmännern der vierziger Jahre auf Grund dieser Präzedenzfälle völkerrechtlich unbedenklich.
Im konkreten Fall, der in Potsdam zur Entscheidung anstand, sprachen die Erfahrungen mit der deutschen Politik des letzten Jahrzehnts für einen Bevölkerungstransfer. An ein friedliches Zusammenleben von Polen, Tschechen und Deutschen jenseits der Grenzen des verbliebenen deutschen Territoriums war nach allem, was die Deutschen ihren Nachbarn angetan hatten, nicht ernsthaft zu denken. Hätten die «Großen Drei» Millionen von Deutschen auf den Gebieten Polens und der Tschechoslowakei belassen, wäre das aus der Sicht der Sieger ein Beitrag zur Förderung eines aggressiven deutschen Irredentismus und damit einer abermaligen Gefährdung des europäischen Friedens gewesen.
Die Alliierten beschlossen daher auf sowjetisches, polnisches und tschechoslowakisches Drängen die «Überführung der deutschen Bevölkerung oder von Bestandteilen derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind», nach Deutschland, wobei «jede derartige Überführung, die stattfinden wird, in ordnungsgemäßer und humaner Weise» erfolgen sollte. Einklagbar war dieser humanitäre Vorbehalt nicht, seine Funktion war es denn auch eher, beruhigend auf die Öffentlichkeit in den westlichen Demokratien einzuwirken, der die Gewaltsamkeit der bisherigen «wilden» Vertreibungsaktionen durchaus nicht entgangen war. Eine angemessene Verteilung der Vertriebenen auf die einzelnen Besatzungszonen, wie das Potsdamer Abkommen sie vorsah, erwies sich ebenfalls als illusorisch: Frankreich weigerte sich im August 1945, seine Zone für Flüchtlinge und Vertriebene zu öffnen.
Als die Potsdamer Konferenz am 2. August 1945 zu Ende ging, gab es, zumindest auf dem Papier, ein neues Gremium, auf das sich die «Großen Drei» verständigt hatten: den Rat der Außenminister, in dem außer den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion und Großbritannien auch Frankreich und China vertreten sein sollten. Seine wichtigste Aufgabe war es, Friedensverträge für Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Frankreich aufzusetzen und diese dann den Vereinten Nationen vorzulegen. (Frankreich und China sollten an den Beratungen der Friedensverträge beteiligt werden, sofern sie die Waffenstillstandsabkommen mit den betreffenden Staaten unterzeichnet hatten). Außerdem sollte der Rat eine friedliche Regelung für Deutschland vorbereiten, damit das entsprechende Dokument durch «eine für diesen Zweck geeignete Regierung Deutschlands» angenommen werden könne, nachdem eine solche Regierung gebildet worden sei.
Einige Vereinbarungen der «Großen Drei» wurden zwar nicht als «geheim» eingestuft,
Weitere Kostenlose Bücher