Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
Parlament, das «Dáil Eireann», in Dublin ein, das sogleich eine Unabhängige Irische Republik proklamierte und am 1. April 1919 den kurz zuvor aus dem Gefängnis geflüchteten Führer von Sinn Féin, Eamon de Valera, den 1882 in New York geborenen Sohn eines spanischen Vaters und einer irischen Mutter, an die Spitze der illegalen Regierung berief. Kurz darauf nahm die Irish Republican Army (IRA), die Nachfolgerin der in den 1850er Jahren von den nationalistischen Feniern gegründeten Irish Republican Brotherhood, den bewaffneten Kampf gegen die britischen Streit- und Ordnungskräfte auf. Damit begann jener seit langem befürchtete oder erhoffte Krieg um die Unabhängigkeit Irlands, der in den Jahren zuvor zweimal nur mit knapper Not hatte verhindert werden können: im Sommer 1914 durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und 1916 beim Dubliner Osteraufstand durch den massiven Einsatz des britischen Militärs.
    Am Vorabend der britischen Unterhauswahlen, dem 13. Dezember 1918, war Woodrow Wilson in der französischen Hafenstadt Brest in der Bretagne eingetroffen. Frankreich war die erste Station der ersten Europareise eines amerikanischen Präsidenten überhaupt. Sie hatte nur
einen
Zweck: Es galt, den Einfluß der USA bei der Gestaltung der internationalen Nachkriegsordnung so stark wie möglich zur Geltung zu bringen. Von keinem politischen Milieu wurde der Präsident so freundlich, ja enthusiastisch begrüßt wie von der sozialistischen Arbeiterschaftund ihren Führern: Sie sahen in Wilson einen Verbündeten im Streben nach einem Verständigungsfrieden, nach mehr Demokratie und mehr sozialer Gerechtigkeit.
    Die französischen Sozialisten taten alles, um die Regierung Clemenceau auf Wilsons Vierzehn Punkte als Grundlage eines dauerhaften Friedens festzulegen – vergeblich. Die Regierung wollte den Friedensverhandlungen nicht vorgreifen und konzentrierte sich darauf, die Unterstützung Amerikas für das Projekt eines «Cordon sanitaire», eines Sicherheitsgürtels unabhängiger ostmittel- und südosteuropäischer Staaten zur Abwehr des Bolschewismus, zu gewinnen. In einer Rede vor der Deputiertenkammer weigerte sich Clemenceau am 29. Dezember standhaft, irgendwelche konkreten Friedensziele zu nennen. Einer breiten parlamentarischen Rückendeckung konnte sich der Ministerpräsident dabei sicher sein. Bereits Ende Oktober hatten sich die meisten bürgerlichen Parteien rechts und links der Mitte zum Block der Entente Républicaine Démocratique zusammengeschlossen. Mit ihrer Hilfe gewann Clemenceau am 29. Dezember die entscheidende Abstimmung über den Staatshaushalt: Er wurde mit 414 zu 6 Stimmen angenommen. Die uneinigen Sozialisten hatten sich auf Stimmenthaltung verständigt.
    Wilson war mittlerweile nach England weitergereist, wo ihm die Arbeiterschaft anläßlich einer Rede in Manchester am 30. Dezember, vier Tage nach seiner Ankunft in London, einen überwältigenden Empfang bereitete. Mit Lloyd George gelangte der Präsident zu sehr viel mehr Übereinstimmung als mit Clemenceau, aber über die Auswirkungen der Unterhauswahl gab er sich keinen Illusionen hin: Die Befürworter einer harten Linie gegenüber Deutschland, allen voran die Konservativen, waren gestärkt, die britischen «Wilsonians», die Anhänger eines Verständigungsfriedens, geschwächt worden.
    Einem Zwischenaufenthalt in Paris, bei dem Wilson seine Enttäuschung über die Kammerrede Clemenceaus nicht verbarg, folgte sein Besuch in dem Land, in dem, als es 1915 in den Krieg eintrat, von einer massenhaften «Kriegsbegeisterung» weniger als irgendwo sonst die Rede sein konnte und das jetzt am Rande des wirtschaftlichen und finanziellen Bankrotts stand: Italien. Wilsons wichtigster Gesprächspartner in Rom war der seit Oktober 1917 amtierende rechtsliberale Ministerpräsident Vittorio Emanuele Orlando. Er stand einer Regierung vor, in der Außenminister Sidney Sonnino, auch er ein Rechtsliberaler,weitgehende Annexionsforderungen, vor allem im Hinblick auf Dalmatien, vertrat und dafür den Beifall der nationalistischen Rechten fand, der aber auch Anwälte eines friedlichen Ausgleichs mit den Südslawen wie der stellvertretende Ministerpräsident Leonida Bissolati, ein Reformsozialist, und der linksbürgerliche Finanzminister Francesco Nitti angehörten.
    Die Rechte, am lautstärksten Mussolinis «Popolo d’Italia», verlangte die Angliederung eines großen Teiles der dalmatinischen Küste und Südtirols bis zum Brenner. Ein gemäßigter

Weitere Kostenlose Bücher