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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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und weitere internationale Einrichtungen. Außerdem erteilte die Bundesversammlung der Regierungskommission für das Saargebiet und dem Hohen Kommissar für die neu geschaffene Freie Stadt Danzig ein direktes Mandat.
    Ob der Völkerbund wirklich die friedensstiftende und ausgleichende Rolle würde wahrnehmen können, die Wilson ihm zugedachthatte, war von Anfang an fraglich. Die Mitgliedstaaten dieses Systems der kollektiven Sicherheit blieben uneingeschränkt souverän. Einen Konsens über Sanktionen herzustellen war angesichts der auseinanderstrebenden Interessen der Mitgliedstaaten, vor allem der größeren unter ihnen, erkennbar schwierig. Unter den privilegierten ständigen Mitgliedern des Völkerbundrates hatten die größeren europäischen Kolonialmächte das Übergewicht. (Daß die Vereinigten Staaten dem Völkerbund
nicht
beitreten würden, ahnte im Frühjahr 1919 noch niemand.)
    Am ehesten waren dem Völkerbund bedeutende Leistungen auf humanitärem Gebiet zuzutrauen. Eine repräsentative «Weltregierung» aber oder eine «Föderation freier Staaten», wie Kant sie 1795 in seiner Schrift «Zum ewigen Frieden» zur Grundlage eines neuen Völkerrechts hatte machen wollen, konnte aus
diesem
Völkerbund, in dem die Kolonialvölker per definitionem nicht vertreten waren, nicht hervorgehen. Er war zunächst nur eine Versammlung der Sieger des Ersten Weltkrieges und der neutral gebliebenen Staaten. Die besiegten Staaten waren fürs erste ausgeschlossen. Sie konnten allenfalls hoffen, daß sich daran bald etwas ändern würde. Das galt nicht nur für Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien und die Türkei, sondern auch für Sowjetrußland.
    Was Rußland betraf, so drängte Wilson in Paris auf eine Eindämmung der Revolution durch eine Kombination von Lebensmittellieferungen und die Beendigung des Bürgerkrieges durch Verhandlungen, an denen außer den Verbündeten die kommunistische Regierung in Moskau und die von den «Weißen» eingesetzten gegenrevolutionären Regierungen teilnehmen sollten. Der Versuch scheiterte zunächst, im Februar 1919, an der Weigerung der «Weißen», sich mit den «Roten» an einen Tisch zu setzen, und dann, Mitte April, nachdem durch separate Geheimkontakte der Amerikaner mit den Bolschewiki Lebensmittellieferungen scheinbar in greifbare Nähe gerückt waren, an westlichen Bedingungen, die die Bolschewiki nicht erfüllen konnten – unter anderem forderten die Verbündeten, daß das russische Transportwesen der Kontrolle der Moskauer Regierung entzogen wurde. Deutschland hingegen kam, nachdem die Franzosen ihren Widerstand gegen entsprechende angelsächsische Vorschläge aufgegeben hatten, seit Ende März in den Genuß umfangreicher Lieferungen von Getreide und Fetten. Die alliierte Blockade war damit beendet – eine Folge nicht so sehr humanitärerErwägungen als der Furcht, die hungernden Deutschen könnten sich andernfalls Rußland und dem Bolschewismus zuwenden.
    Deutschland war das Hauptthema der Pariser Friedenskonferenz. Sehr bald wurde deutlich, daß die französischen und die angelsächsischen Vorstellungen weit auseinandergingen, wobei es freilich auch zwischen Washington und London hin und wieder Meinungsverschiedenheiten gab. Clemenceau drängte, wenn auch nicht so massiv wie Marschall Foch, auf die Abtrennung des Saarlands und des übrigen linksrheinischen Deutschland (das ein autonomer, von Frankreich abhängiger Staat werden sollte) vom Reich. Lloyd George wollte im Interesse der «balance of power» Frankreich nicht übermäßig stark werden lassen und setzte darum französischen (im Osten auch polnischen) Expansionsbestrebungen hartnäckigen Widerstand entgegen. Wilson war durchaus für eine angemessene Bestrafung Deutschlands (wobei er zwischen dem untergegangenen Kaiserreich und der neuen Regierung keinen großen Unterschied machte). Er wollte aber nicht mehr als unvermeidbar mit dem von ihm verkündeten Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker in Konflikt geraten und konnte sich schon deswegen nicht dem französischen Druck beugen.
    Das Ergebnis des zähen Ringens war ein Kompromiß, der dem französischen Sicherheitsbedürfnis und den Grundsätzen der Angelsachsen Rechnung trug. Zur Befriedigung des französischen Sicherheitsbedürfnisses sagten die USA und Großbritannien Frankreich einen Garantievertrag gegen einen unprovozierten deutschen Angriff zu. Elsaß-Lothringen wurde, was vorher zwischen den Siegern keineswegs unumstritten gewesen

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