Geschichte Hessens
Herrschaft
Eroberung und Herrschaftssicherung
. Römische Legionen hatten im Jahr 10 v. Chr., ausgehend von ihrer befestigten Militärbasis Mogantiacum (Mainz), den Rhein überschritten und damit erstmals den Boden des heutigen Landes Hessen betreten. Ihr Ziel war der Ausbau einer «Provinz Germania», deren Ostgrenze bis zur Elbe reichen sollte. Die Chatten waren die ersten Gegner auf germanischer Seite, mit denen sich die Römer auseinanderzusetzen hatten. Vielleicht war auch dies ein Grund für deren vergleichsweise häufige Erwähnung in der römischen Historiographie – bei Tacitus erschienen die Chatten ebenso wie bei Florus, Plinius und Strabo. Die römisch-chattischen Kämpfe zogen sich durch die gesamte Kaiserzeit. Dabei gelang den Eroberern aus dem Süden in den folgenden Jahrzehnten die Ausweitung ihres rechtsrheinischen Macht- und Einflußgebiets und dessen Absicherung durch den Bau von Kastellen in Wiesbaden, Hofheim und Friedberg, dem nördlichsten Vorposten Roms in Hessen. Als bekanntestes römisches Kastell gilt die Saalburg, unweit von Bad Homburg gelegen, die ihre Rekonstruktion im Säkularjahr 1900 dem imperialen Selbstverständnis Kaiser Wilhelms II. verdankte. Angesichts ständiger Zusammenstöße mit den Chatten begannen die Römer im Jahr 83 n. Chr. mit der Errichtung einer befestigten und überwachten Schutzanlage, dem obergermanischen
Limes
. Zunächst nur ein gerodeter Grenzweg, vorzugsweise auf den Kämmen der Berge, mit weiter Aussicht auf das unruhige und unbefriedete chattische Hinterland, entwickelte sich der Limes zu einer der bedeutendsten und wirkungsmächtigsten Kulturgrenzen in der europäischen Geschichte.
Römische Zivilisationsleistungen
. Hessen wurde durch den Limes zweigeteilt, Südhessen war nun römisches Reichsgebiet. Im Schutz des Limes vollzog sich eine Romanisierung des eroberten Landes, der Provinz «Germania superior», Ober-Germanien, mit der Provinzhauptstadt Mainz (Mogantiacum). Zahlreich waren die von den Römern getroffenen verwaltungsmäßigen,städtebaulichen und infrastrukturellen Maßnahmen. Das Territorium der Provinz wurde in
civitates
eingeteilt, das waren Stammesgemeinden bzw. Gebietskörperschaften mit eigenständiger Zivilverwaltung. Auf hessischem Boden gab es davon drei: «civitas Taunensium» (Hauptort: Nida, heute: Frankfurt-Heddernheim), «civitas Mattiacorum» (Hauptort: Wiesbaden), «civitas Audeniensium» (Hauptort: Dieburg). Alle Bewohner der Provinz Ober-Germanien waren steuerpflichtig, doch profitierten sie zugleich von den landespflegerischen Aktivitäten der römischen Verwaltung, die überall das Lateinische als Umgangssprache einführte. Feste Straßen wurden ebenso angelegt wie steinerne Brücken, beides diente der Förderung des Handelsverkehrs und der Aktivierung wirtschaftlicher Mobilität. In Waldgirmes bei Lahnau entstand ein befestigtes Handels- und Marktzentrum (Römisches Forum), dessen Errichtung ab dem Jahr 4 v. Chr. als frühester greifbarer Beleg für die Verwendung von Steinmauern in der von den Römern besetzten Germania rechts des Rheines
(Germania magna)
gilt. Es entstanden zahlreiche Gutshöfe
(villae rusticae)
, die mit ihren Agrarprodukten die in stadtartigen Siedlungen lebende Bevölkerung versorgten. In Wiesbaden, Bad Nauheim und Bad Vilbel gab es Heilthermen und Gasthäuser. Brunnen und Aquädukte sorgten für die Wasserzufuhr. Ackerbau und Viehzucht zogen Gewinn aus der Einführung bisher unbekannter Obstsorten, Haustierrassen und Gerätschaften, und auch den Weinbau brachten die Römer mit an den Rhein.
Römisch-germanische Auseinandersetzungen
. All das waren Kulturleistungen, die sich untrennbar mit der rund 400 Jahre währenden Römerherrschaft im südlichen Hessen verbanden. Doch sie waren zu keiner Zeit ungefährdet. Denn die nördlich des Limes lebenden Chatten standen außerhalb des römischen Herrschaftsbereichs und bedrohten immer wieder die stark gesicherte Reichsgrenze. Mehrfach fielen sie in das Hinterland des Limes ein, konnten jedoch zunächst zurückgeschlagen werden. Erst dem seit Anfang des 3. Jahrhunderts in Hessen auftauchenden neuen germanischen Stammesverband der
Alamannen
gelang um das Jahr 260 der Durchbruch durch den Limes. DieRömer gaben daraufhin die rechtsrheinischen Teile ihrer Provinz Ober-Germanien (nun: «freies Germanien») auf und reorganisierten deren linksrheinischen Rest als «germania prima», Hauptstadt blieb weiterhin Mainz. Starke Befestigungsanlagen am
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