Geschichte Hessens
Denn zur Ausbildung angehender Geistlicher und Missionare wurden den Klöstern Schulen angegliedert. Besonders das im Auftrag von Bonifatius 744 durch seinen Schüler Sturmius errichtete Kloster Fulda, in dem Bonifatius nach seinem Märtyrertod in Friesland 754 auch begraben wurde, entwickelte sich mit seiner Klosterschule zu einer der wichtigsten Pflegestätten christlichenLebens und frommer Gelehrsamkeit auf hessischem Boden. Hier, in Fulda, erhielt Einhard, der spätere Vertraute und Biograph Karls des Großen, die Grundlagen seiner Erziehung. Und hier wirkte von 802 bis 842 der wohl berühmteste Gelehrte im Fränkischen Reich: Hrabanus Maurus (780–856), Verfasser grundlegender Schriften zur Klosterbildung und Autor einer jahrhundertelang gültigen Sammlung des Wissens seiner Zeit. In Fulda, doch auch in den benachbarten hessischen Klöstern Amöneburg (722), Fritzlar (734), Hersfeld (736), Büraburg (741) und Lorsch (764), wurden Werke des griechischen und römischen Altertums und Texte der Kirchenväter gesammelt, abgeschrieben und studiert, Bücher verwahrt und Handschriften illustriert, Goldschmiedearbeiten und Elfenbeinschnitzereien produziert sowie überhaupt durch das Bildungsstreben der frommen Mönche ein bedeutender Fundus an Wissen und Gelehrsamkeit tradiert. In der Hersfelder Klosterbibliothek wurde die einzige Handschrift der «Germania» des Tacitus für die Nachwelt gerettet. Mönche der Fuldaer Klosterschule zeichneten das «Hildebrandslied» auf, das dem frühen 9. Jahrhundert entstammte und als ältestes erhaltenes germanisches Heldenepos in altdeutscher Sprache gilt. Etwa zur gleichen Zeit hinterließ Einhard, der gelehrte Ratgeber und Geschichtsschreiber Karls des Großen, als Leiter der Abtei Seligenstadt mit der Lebensbeschreibung seines kaiserlichen Helden
(Vita Caroli Magni)
ein Meisterwerk mittellateinischer Prosa, das auf hessischem Boden entstanden ist und das Gebiet zwischen Fulda und Werra als frühmittelalterliche Kulturlandschaft von europäischem Rang ausweist. Solche und andere klösterliche Aktivitäten beförderten die kulturelle Angleichung des nordhessischen Raumes an den Süden nachhaltig.
Neben diesen monastischen Zentren wurden die Bischofssitze Mainz, Speyer, Trier und Worms zu Mittelpunkten geistigen Einflusses in der Region. Vor allem das 781 zum Erzbistum erhobene Mainz gewann hier rasch an Bedeutung – nicht nur als Motor der Christianisierung der Gebiete zwischen Odenwald, Spessart, Vogelsberg und Taunus, sondern auch als weltliche Territorialmacht mit weitreichenden und wachsenden politischenHerrschaftsansprüchen bis weit in den Thüringer Raum hinein.
Karolinger, Rupertiner, Konradiner, Sachsen
. Im 8. Jahrhundert übernahm die Dynastie der Karolinger die Macht im Frankenreich von den schwach gewordenen und zusehends degenerierenden Merowingern. Hessen, insbesondere das Rhein-Main-Gebiet, wurde nun zu einem Kernland des Fränkischen Imperiums. Sichtbarer Ausdruck dieser neu gewonnenen Bedeutung war die Gründung der Kaiserpfalz Franconofurt (Frankfurt). Der überaus verkehrsgünstig gelegene Ort, Schnittpunkt alter mitteleuropäischer Handelswege und Durchgangsstraßen, wurde erstmals 793/94 im Zusammenhang mit Aufenthalten und einer Reichsversammlung Karls des Großen urkundlich erwähnt und wuchs rasch zu einem Zentrum karolingischer Königsherrschaft heran.
Als deren Grundlage diente das bereits unter den Merowingern entstandene Reichsgut – fränkische Königshöfe, Wirtschaftsgüter und zunehmend auch städtische Anlagen, die zum Teil ausgedehnten Grundbesitz besaßen und sich bis ins Hochmittelalter zu zentralen Orten der Ausübung der Reichsgewalt in Hessen entwickelten. Zur Verwaltung dieser königlichen Besitzungen setzten die Frankenherrscher Grafen (Gaugrafen) ein, die zumeist kriegerisch erprobten Adelsgeschlechtern entstammten. Ihnen oblag die Rechtsprechung, die Erhebung der Abgaben und das militärische Kommando in ihren Amtsbezirken. Mit zunehmendem Niedergang der karolingischen Dynastie gewannen vor allem die gräflichen Adelsfamilien im Lahnraum Macht und Einfluß – zunächst die
Rupertiner,
dann die
Konradiner
, deren Haupt im Jahr 911 als Konrad I. (911–918) zum deutschen (= ostfränkischen) König erhoben wurde. Nach dessen Tod wählten die bisher miteinander konkurrierenden Franken und Sachsen 919 in Fritzlar, dem Zentrum des alten chattisch-hessischen Stammesgebiets, den Sachsenherzog Heinrich I. (919–936), den
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