Geschichte Irlands
moderne Finanzwelt an sich zu ziehen. Mit Dublin wetteiferte sie um die nationale Führungsposition, der Rivalität zwischen Glasgow und Edinburgh vergleichbar. Die presbyterianische Kaufmannskultur Ulsters hatte die Leinenproduktion in den Grafschaften Antrim, Armagh, Down und Monaghan gefördert und die Transportwege über neue Kanäle und StraÃen beschleunigt. Das hatte zur Folge, dass in diesenprosperierenden Regionen die Bevölkerungszahlen unter Land- und Fabrikarbeitern besonders stark anstiegen.
Gleichzeitig nahmen die Spannungen wegen der Verteilung von Land zu, und von Geheimgesellschaften initiierte Gewaltausbrüche wie die der katholischen «Whiteboys», die sich etwa bei neuen Steuererhebungen entluden, wurden zum Alltag. Der Widerstand der Whiteboys war jedoch weder dauerhaft noch flächenwirksam. Die Armee der protestantischen «Volunteers», Freiwilliger, die für eine Liberalisierung der Politik gegenüber Katholiken und Dissenters, gegen die englischen Beschränkungen des irischen Handels und für die legislative Unabhängigkeit des irischen Parlaments kämpften, war demgegenüber erfolgreicher. Sie war geschaffen worden, um sich gegen innere Revolten oder fremdländische Invasionen zu schützen, nachdem die englischen Truppen Irlands nach Nordamerika abgezogen worden waren. Henry Flood und Henry Grattan, beide zunächst Offiziere der Volunteers, wurden zu «Anführern der öffentlichen Meinung», wie der Historiker Lecky etwa 80 Jahre später konstatierte. Ihnen ist es unter anderem zu verdanken, dass in Irland zumindest für einige Zeit die revolutionären Impulse aus dem Ausland aufgegriffen wurden.
Amerika, Frankreich und Irland
In die Revolutionsheere des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs schrieben sich auch Tausende Iren ein, die aus Ulster emigriert waren. Die Bereitschaft, sich von der Heimat zu lösen und ein neues Leben zu beginnen, war groÃ, wobei man die alten religiösen und kulturellen Bindungen beizubehalten suchte. Neue, den Atlantik überbrückende Familienstrukturen entstanden. Sie profitierten von dem regelmäÃigen Schiffsverkehr zwischen Ulster und Neuengland sowie später Pennsylvania, South Carolina, Delaware und New York. In Amerika waren Land, Abenteuer und Erfolg leicht zu haben â zumindest war das die Hoffnung vieler. Allein zwischen 1770 und 1774 emigrierten mindestens 30.000 Menschen aus Ulster. Insgesamt wird die Zahl der Iren, die im 18. Jahrhundert in die Neue Welt auswanderten,auf 447.000 geschätzt. Damit wurde die Emigration endgültig zu einem Faktor der irischen Identität.
Ein anderer Faktor wurde zunehmend der organisierte Widerstand. Auf lokaler Ebene kämpfte man gegen die überteuerte Pacht und auf nationaler für die politische Emanzipation, mit dem Ziel, Poyningsâ Law von 1494 zu widerrufen. In die Widerstandsbewegungen waren Katholiken und Protestanten gleichermaÃen involviert, nicht selten vertraten Protestanten gemäÃigte katholische Anliegen. Die Krise in Amerika und diejenige in Irland sendeten wechselseitige Signale aus und summierten sich zu einer Krise des Britischen Empires. Wie gewohnt reagierte die Londoner Regierung mit einer Lockerung der Strafgesetze, um sich eine loyale Mehrheit zu sichern, auch wenn sie dadurch Sympathien bei der protestantischen Elite einbüÃte. Weil der Bedarf an Soldaten für den Krieg in Amerika 1775â1783 nahezu unbegrenzt war, war man auf die Rekrutierung katholischer Iren angewiesen.
Für den konservativen Flügel der Ascendancy war allerdings jeglicher interkonfessioneller Ausgleich inakzeptabel. Wie wenige andere Mitglieder der orthodoxen Whig-Aristokratie bekämpfte John Fitzgibbon, Graf von Clare und Vertrauter des britischen Premierministers William Pitt, eine allmähliche Emanzipation der Katholiken. MaÃgeblich brachte er 1801 die staatliche Union zwischen GroÃbritannien und Irland auf den Weg und läutete das Ende einer kurzen Epoche ein, für die zwei Entwicklungen stellvertretend stehen: das Parlament von 1782 und die Rebellion von 1798.
Das nur 18 Jahre existierende «patriotische» Parlament am Dubliner College Green, von seinen Bewunderern «Grattan-Parlament» genannt, war zunächst nichts anderes als eine Kompromisslösung. Nach ihrem Scheitern im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gestand die englische Regierung von Frederick Lord North
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