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Geschichte Irlands

Geschichte Irlands

Titel: Geschichte Irlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt Stuchtey
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das Thema, das die Katholikeneinte. Daniel O’Connell hingegen, der wichtigste Politiker Irlands in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, spaltete sie, obgleich er oft als Integrationsfigur betrachtet wurde. Von den pazifistischen Nationalisten als «Liberator» gefeiert, wurde er von der gewaltbereiten Fraktion, aus der später die Bewegung des Young Ireland hervorging, als zu kompromissbereit geschmäht.
    Irland war seit 1801 im Londoner Parlament mit 100 von insgesamt 658 Sitzen vertreten. Mit 1,25 Millionen Pfund sowie Adelstiteln und Patronage erkauft, sollte die Union den katholischen Gutsbesitzern zwar ihren Wohlstand sichern. Doch mit der legislativen Vereinigung Irlands und Englands privilegierte sie die protestantischen Kirchen beider Inseln, die einen gleichsam staatstragenden Nimbus erhielten. Ähnlich hatte sich die Union zwischen Schottland und England 1707 ausgewirkt, als die presbyterianische Kirche Schottlands unter besonderen Schutz gestellt worden war.
    Für die Katholiken war das exklusive Vokabular der Ascendancy nach 1800 zu elitär geworden. Wenn sie sich auf ein Vorbild beriefen, dann auf die amerikanischen Revolutionäre. An diesem Punkt setzte Daniel O’Connells Bewegung an. In seinem an Königin Viktoria gerichteten polemischen
Memoir on Ireland. Native and Saxon
(1843) legte er dar, wie Irland seit 1169 die Gestaltung der eigenen Geschichte entrissen worden sei. Die Union von 1801, durch Betrug und Korruption zustande gekommen, habe vorerst endgültig die irische Legislative zerstört, doch den Freiheitswillen lasse Irland sich von niemandem nehmen.
    O’Connell wollte um jeden Preis der Gewalt vorbeugen. Für einen Penny Monatsbeitrag konnte man sich an der 1823 von ihm gegründeten Catholic Association beteiligen, von der Londoner Politiker allerdings fürchteten, sie löse eine neue Revolution aus. Zieht man die verbreitete Gewalt der katholischen Whiteboys auf dem Land, vor allem in Munster, in Betracht, so wird die Politik des englischen Staatssekretärs Thomas Drummond nachvollziehbar: Er verbot alle Geheimgesellschaften und errichtete das zentralisierte, paramilitärische Polizeisystem derRoyal Irish Constabulary, auf welches später die kolonialen Polizeitruppen im Empire zurückgriffen. 1829 stimmte Arthur Wellington als britischer Premierminister dem Gesetz zu, das es Katholiken erlaubte, Parlamentsabgeordnete zu werden und staatliche Ämter zu bekleiden. Dabei folgte er der modernen Staatsräson des noch jungen organisierten Konservativismus. Sein Nachfolger Robert Peel, Architekt der Katholikenemanzipation, formulierte im
Tamworth Manifesto
(1834) den konservativen Leitsatz, dass die Revolution durch moderate Reformen zu verhindern sei. Damit verfasste Peel das erste nationale Wahlmanifest und machte den Begriff des Konservativismus salonfähig. Das Handwerk des Staatsmanns perfektionierte er in der Rhetorik des Parteimanns, dessen Unbestimmtheit eine Eigenschaft des modernen Politikers wurde.
    Ohne den irischen Hintergrund wäre das viktorianische Zeitalter wohl weniger von gemäßigten Reformen bestimmt gewesen. Hingegen blieben O’Connells nächstwichtige Ziele, die Wiederauflösung der Union und die Schaffung einer repräsentativen irischen Volksvertretung, Illusion. Das konnte auch nicht anders sein, wollte Großbritannien seinen imperialen Status nicht gefährden. O’Connells persönliche monarchische Loyalitäten konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Bewegung einen separaten irischen Nationalstaat forderte. Zahlreiche europäische Reisende wurden von seiner Ausstrahlung angezogen und berichteten, wie etwa der Feuilletonist des deutschen Liberalismus Julius Rodenberg, über die dramatische Entwicklung auf der «Insel der Heiligen». 1841 wurde O’Connell Bürgermeister von Dublin und organisierte fortan sogenannte Monster-Meetings wie das legendäre vom August 1843, als sich über 750.000 Menschen auf den Hügeln von Tara in der Grafschaft Meath versammelten, um seine Reden zu hören. Die symbolische Bedeutung des Ortes war unermesslich. Unweit der prähistorischen Monumente von Newgrange gelegen, hatte Tara einen Knotenpunkt des frühmittelalterlichen Verkehrsnetzes gebildet, war der Fundort des
Book of Kells
und seit dem 9. Jahrhundert eines der wichtigsten Zentren der Iren, an denen sie politische Einheit demonstrieren

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