Geschichte machen: Roman (German Edition)
das sei ein Zeichen, daß man in seinem Leben Platz für Jesus schaffen müsse. Daß dieser Schmerz das Symptom eines Vakuums in der Seele sei. Christen können mich mal kreuzweise. Diese Leere konnte man doch genausogut mit Drogen füllen. Ich hatte schon überlegt, ob bei mir vielleicht Jane diese Funktion hatte. Oder nicht sie persönlich, aber die LIEBE. Aber das bedeutete dann entweder, daß ich Jane nicht liebte oder daß schon wieder eine meiner Theorien den Bach runterging. Oder war diese Leere die Sehnsucht eines kreativen Geistes? Verzehrte sich meine Seele nach Ausdrucksmöglichkeiten in der Kunst? Problem: Ich konnte nicht zeichnen, nicht schreiben, nicht singen und nicht tanzen. Na toll. Was blieb mir denn dann? So ’ne Salierikiste vielleicht. Mit genug göttlichem Funken verflucht, um das Genie bei anderen zu erkennen, aber nicht genug, um selber etwas zu erschaffen. Ach, Dreck …
Vielleicht war es also einfach nur die Angst vor einer neuen Lebensphase. Dann klafft die Leere vor einem auf. Wenn man am Rand, an der Schwelle von etwas Neuem steht. Die Leere ist der Torweg, den man schon immer durchqueren wollte, aber je näher man ihm kommt, desto nostalgischer schaut man zurück und bekommt Angst vor der eigenen Courage.
Selbstbeobachtung, daran liegt es. Das war schon immer mein größtes Laster. Ich
sehe
mich ständig. Das bin ich. Ich laufe die Straße entlang und frage mich, was sehen andere Menschen? Das bin ich, Doktor Young in spe. Das bin ich, mit einem Mädchen am Arm. Das bin ich, mit der Mütze auf dem Kopf – Hänger oder Hipster? Dort laufe ich mit Büchern unter dem Arm, mache eine schneidige Figur als hipper Historiker, der coole Akademiker auf zwei nackten Beinen,ein toller Typ! Also ein Prufrock-Syndrom. Ob ich Pfirsiche verzehr? Lachen die hinter meinem Rücken? Oder nicht?
Glaube
ich vielleicht nur, daß die mich auslachen? Ich beobachte mich beim Beobachten anderer, die mich beobachten. Wie schüttelt man das ab? Wie geht dieser Trick? Rotwerden ist das äußere Zeichen. Wenn ich es schaffe, mir außen das Rotwerden abzugewöhnen, verschwindet innen vielleicht auch die ewige Selbstbeobachtung. Ich weiß ja nicht …
Dinge, die zu einer Krise gehören oder sie betreffen, nennt das Wörterbuch kritisch. Mein Leben befindet sich also in einer kritischen Phase. An einem Dreh- und Angelpunkt. Das Scharnier an der Tür zu meiner Zukunft ist die Dissertation. Wahrscheinlich habe ich dieses Scharnier absichtlich – obwohl unbewußt – nicht geölt, sondern laut quietschen lassen, damit ich notfalls zurückhuschen und eine andere Tür ausprobieren kann. Jetzt hat man mir befohlen, es zu ölen. Lautlos wird die Tür aufschwingen, und alles wird glattgehen. Will ich das eigentlich?
Jamie und Double Eddie haben schließlich ihren Wein ausgetrunken, packen ihre Sachen ein und brechen auf, winken mir noch einmal zu und laufen mit übervorsichtigen, ehrpusseligen Schritten die Uferböschung hoch wie Kinder um die Jahrhundertwende, die am Strand um die Pfützen herumhüpften. Eine Träne löst sich von meinem Kinn und gesellt sich zum Flußwasser auf seiner Reise zum Meer.
Wellen machen
Ein Fenster zur Welt
Physik ist ultrahip. Wenn Sie heutzutage hören, wie sich zwei Studenten der Literaturwissenschaft unterhalten, haben Sie gute Karten, daß es gerade um Schrödingers Katze oder Chaos- und Katastrophentheorie geht. Vor fünfundzwanzig Jahren waren auf dem Campus E. M. Forster und F. R. Leavis angesagt; dann kamen die Strukturalisten und schließlich Stephen Heath mit seinen Groupies und Abstaubern auf ihrer Differenz-und-Dekonstruktivismus-Tournee. Heute hängen die amerikanischen Touristen hier mit ihren Niels-Bohr-T-Shirts herum und hoffen, die Räder von Stephen Hawkings Rollstuhl berühren zu dürfen, womit sie wahrscheinlich gleich die letzten Geheimnisse des Universums einsacken wollen.
Zahlen sind das A & O der Naturwissenschaften. Will sagen, ohne sie bekommt man kein Bein auf die Erde. Die Partie meines Gehirns, die sich mit Zahlen beschäftigt, ist unwesentlich größer als die, die für die Politik von Neuseeland zuständig ist oder die für das Ergebnis beim PGA Masters-Turnier. Ich verfüge über rudimentäres Schulfranzösisch und Schulrechnen. Es reicht, um in Geschäften und Restaurants klarzukommen. Wenn ich eine Zeitung, die dreißig Pence kostet, mit einem Pfundstück bezahle, bin ich pfiffig genug, siebzig Pence Wechselgeld zu erwarten. Wenn ich beim Derby
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