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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ernst. Er meint das wirklich und wahrhaftig ernst.«
    Ich starrte ihn an und dachte genau dasselbe. »Ich gebe zu …«, sagte ich, »daß einige Passagen eher … unkonventionell sind, aber …«
    »Unkonventionell?« Er schlug die Arbeit auf und las vor: »›Ein großer Adler, der durch die Lüfte schwebte, allmächtig, allwissend, alles erobernd, mit durchdringenden Augen, mächtigen Schwingen und Klauen, von denen das Blut des Schweins herabtropfte!‹ Und Sie wollen behaupten, Sie hätten sich kein Cannabisharz injiziert? ›Die nächste große Wehe wirbelte sie weit über die höchsten Bergesspitzen hinaus. Unter ihr erstreckte sich ganz Europa. Ohne Zollwachen, Schlagbäume und Grenzen: Alle Tiere konnten sich frei bewegen.‹ Sie haben so umfangreiche Recherchen angestellt, daß Sie haarklein über die Wehen dieser … dieser Pölzl Bescheid wissen und welche Bilder sie dabei vor Augen hatte? Wahrscheinlich hat sie Tagebuch geführt, was? Ihre Gedanken während der Geburt auf Tonband gesprochen. Und wie ich sehe, vertreten Sie die Ansicht, ihr Gatte hätte ihr nach Art des ausgehenden 20. Jahrhunderts am Wochenbett die Hand gehalten. Falls dem so ist – faszinierend! Aber wo sind Ihre Belege? Auf welche Quellen stützen Sie sich?«
    »Also, diese Passagen dienen natürlich nur als Überleitungen. Ich gebe zu, daß sie etwas unorthodox sind, aber ich dachte … wissen Sie … sie würden dem Ganzen etwas Farbe und Leben einhauchen?«
    »Farbe? Leben? In einer wissenschaftlichen Abhandlung? Suchen Sie Zuflucht in der nächstbesten Entziehungsanstalt, bevor es zu spät ist, Bursche!« Voller Staunen blätterte er in meinem Manuskript, seine Augenbrauen drohten bereits abzuheben.»Wie ich sehe, geruhen Sie auch nicht, dem überraschten Leser mitzuteilen, wie Sie auf die Schulzeugnisse des jungen Hitler gestoßen sind.«
    »Gut, ich habe mir einige Freiheiten herausgenommen. Aber Adolfs Lehrer Eduard Hümer
hat
gesagt, daß Adolf undiszipliniert sei und sich gern als Führer aufspiele.«
    »Soso, Sie nennen ihn schon Adolf. Sind richtig dicke mit ihm, was?«
    »Nun, wenn es sich um einen Zwölfjährigen handelt, kann man ihn schlecht die ganze Zeit beim Nachnamen nennen, oder?«
    »Und Adolfs Mami am Pumpenschwengel, während der Zug vorbeischuckelt und ›kaiserliche weiße Schnurrbärte hoch in den Himmel stößt‹? Adolfs Mami, die Windenranken jätet? Adolfs Mami, die nach Veilchen duftet? Was ist damit?«
    »Das sollte doch alles bloß die Lesbarkeit steigern, wissen Sie, für die Publikation …«
    »
Publikation
?« In diesem Augenblick dachte ich ernsthaft, er würde explodieren. »
Publikation
? Verfluchte Scheiße, Kind, selbst Mills and Boon würden bei dem Angebot rot werden!«
    »Denen habe ich es nicht angeboten«, sagte ich, bemüht, die Contenance zu wahren. »Allerdings hat der Seligmanns Verlag schon sein Interesse bekundet.«
    »Wahrscheinlich für seine Psychopathologiereihe. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein,
nein
. Das ist einfach unerträglich.«
    »Ich könnte diese Passagen ja herausnehmen«, bot ich verzweifelt an. »Die machen schließlich nur ein Zwanzigstel des Gesamttextes aus. Höchstens.«
    »Herausnehmen? Hm …« Er dachte darüber nach.
    »Ich meine, wie finden Sie denn den Rest?«
    »Den Rest? Och, anständig, würde ich sagen. Dröge, aber ganz anständig. Es will mir nur nicht in den Kopf, warum Siediesen unerforschlichen Scheiß überhaupt erst geschrieben haben. Selbst wenn Sie das alles streichen, werde ich Ihre Arbeit nie wieder unvoreingenommen lesen können. Sie ist kontaminiert. Sie können Kacke aus einer Zisterne fischen, aber sobald jemand von der Kacke weiß, wird er das Wasser nicht mehr trinken, oder? Hm? Was? Stimmt doch! Oder? Hm?«
    »Aber es
wird
doch niemand wissen!« Der Verzweiflung nah, stellte ich mir vor, wie Fraser-Stuart aus übertriebener Korrektheit und fanatischem Eifer traurige Briefe an die beiden anderen Gutachter schrieb und sie vor dem vergifteten Meisterwerk warnte.
    »Ich frage mich einfach, ob Sie sicher sind, daß Sie an der Universität glücklich werden. Wären Sie in einem anderen Ambiente nicht besser aufgehoben? Den Medien beispielsweise? Oder der Werbung? Der Presse? Der BBC?«
    »Das hier ist mein Ambiente«, sagte ich mit allem Nachdruck. »Das weiß ich hundertprozentig.«
    »Schon gut, schon gut. Dann setzen Sie sich eben auf den Hosenboden und tippen das noch mal ab, und lassen Sie diesmal die fiktiven und

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