Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
nennt, es wäre seine Infinitesimalrechnung mit einer ulkigen Perücke oben drauf, und er wäre als erster drauf gekommen.«
    »Was ist Infinitesimalrechnung eigentlich? Und wenn wir schon dabei sind: Was ist ein Differential?«
    »Spielt doch keine Rolle. Die Sache ist, die beiden reden kein Wort mehr miteinander.«
    »Das muß man sich mal vorstellen!«
    »Ich weiß … Wolfgang Pauli und Albert Einstein haben übrigens auch Zoff.«
    »Und warum die nun wieder?«
    »Irgendwas von wegen Neutrinos, hab ich gehört. Albert glaubt nicht dran, und Wolfgang ist auf hundertachtzig.«
    »Neutrinos?«
    »Irgendein Antazid für Verdauungsprobleme, soweit ich weiß. Seit Albert in Amerika ist, nimmt er wahrscheinlich Rolaids.«
    »Ja ist denn das die Möglichkeit?«
    Und so weiter …
    Die Naturwissenschaft, behaupten die Naturwissenschaftler, beschreibt die
echte
Geschichte. Die genauen Zutaten, das Dünsten und Aufkochen auf dem Herd des Kosmos, das vor x Milliarden Jahren den Planeten Erde schuf, das wäre
echte
Geschichte; was sich vor x Millionen Jahren im Hypothalamusund in der Hirnrinde des Homo sapiens abspielte und uns das Bewußtsein brachte, das wäre
echte
Geschichte. Jedenfalls wollen die Technikpriester Ihnen das weismachen. Arschlöcher. Zahlen nerven. Die existieren doch nicht mal. Es gibt keine Sache namens Vier. Geschweige denn eine Sache namens Minus Vier. Da ist es doch kein Wunder, daß die Welt nach Gresham und Descartes in die Binsen gegangen ist. Wenn man auf dem Globus auch Minuszahlen frei herumlaufen läßt. Tausend Jahre war der Wucher zu Recht Anathema, und dann – Peng! – Dispositionskredite, Sollzinsen, Minuszahlen und die Existenzbehauptung von »minus hundert Tonnen Kaffee«. Negative Firmenwerte. Von der Leibrente zur Leibeigenschaft, von der Schuld in den Schuldturm, vom Kredit zur Knechtschaft. Zahlen nerven.
    Diese bitteren Gedanken gingen mir durch den Kopf, nachdem Jane und ich uns erneut in die Wolle geraten waren. Ich war in Newnham aufgekreuzt und hatte mich nach dem Fraser-Stuart-Fiasko auf ein paar Streicheleinheiten gefreut.
    »Ja, um alles in der Welt«, sagte Jane, »was hast du denn erwartet? Hattest du allen Ernstes vor, dieses sentimentale Gewäsch mit abzugeben? In einer Doktorarbeit?«
    Gekränkt erklärte ich ihr, für mich wären diese Passagen Prosagedichte.
    »Natürlich, Pup. Prosagedichte. So was muß ich in meinem nächsten
Paper
auch mal ausprobieren. ›Er bockte und krümmte sich auf ihr, seine Gedanken überschlugen sich ob der neugewonnenen Freiheit des Geschlechtsakts. Rein! Steril! Befreit zur folgenlosen Liebe! Plötzlich war er Herr über Zeit und Raum! Ihm war, als hätte …‹«
    »Ich hab Hühnerbrustfilets von Sainsbury’s mitgebracht«, fuhr ich ihr in die Parade. »Ich geh in die Küche und fang an zu kochen.« Ich kaschierte meine Verlegenheit, indem ich ostentativ das Fleisch in siedendem Olivenöl anbriet, und sie öffnete eine edle Flasche Wein so provokativ, daß es sichnicht in Worte fassen läßt. Wir Historiker nennen so etwas einen
casus belli
.
    »Für Naturwissenschaftler ist das ja auch ein Klacks. Ihr braucht bloß zu addieren. Ja nein, richtig falsch, schwarz weiß.«
    »Dummes Zeug, Schatz.«
    »Hast du doch selbst gesagt. Die Antworten liegen in Tütchen verpackt im ganzen Universum verstreut. Ihr braucht sie bloß aufzureißen. Hier ist das Gen, das einen Menschen zum Musiker macht, und dort das, was ihn zum Heiligen macht. Hier liegt ein Teilchen, das dir das Gewicht des Universums verrät, da drüben liegt eins, das dir erklärt, wie alles angefangen hat.«
    »Natürlich, genau das habe ich gesagt. Es ist ja alles so einfach. Wenn wir seelenlosen Schwachköpfe bloß genauso intelligent wären wie ihr sensiblen Historiker, dann hätten wir sämtliche Fragen schon vor einigen Jahrhunderten beantwortet.«
    »Das hab ich doch gar nicht gesagt!« Wütend knallte ich die Pfanne auf den Herd. »Das hab ich nicht gemeint, und das weißt du ganz genau. Du willst mich einfach nicht verstehen, stimmt’s?«
    »Ich geh fernsehen. Dein Wein steht auf dem Tisch.«
    Während ich den grünen Thaicurry zubereitete und den Reis spülte, sprudelten, wogten und schäumten im Hinterkopf die Argumente. Diese
Arroganz
, sagte ich mir immer wieder, die Arroganz dieser Leute. Während ich sie im Kopf mit Argumenten schlug, knallte ich im Takt dazu Holzlöffel hin und warf scheppernd den Deckel auf den Wok. Als würden Naturwissenschaftler
absichtlich
all

Weitere Kostenlose Bücher