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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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fünf Pfund auf einen Drei-zu-eins-Gewinn setze, kann ich mich in den Bauch beißen, wenn ich hinterher nicht fünfzehn Pfund reicher bin. Aber schon wenn das Pferd mit sieben zu zwei startet, bricht mir der kalte Schweiß aus. Zahlen nerven.
    Pflichtbewußt habe ich mich wie die meisten Menschen meiner Generation durch populärwissenschaftliche Darstellungender Relativitätstheorie und der Quantenmechanik gequält, einheitliche Feldtheorien, die
Theories of Everything
und den ganzen Schamott. Wahrscheinlich ist die Behauptung nicht übertrieben, man habe mir wohl zwanzigmal im Druck und in Person sehr geduldig erklärt, was ein Elektron ist, aber ich kann mir ums Verrecken nicht merken, ob das blöde Ding nun negativ oder positiv ist. Ich habe den vagen Verdacht, daß es negativ ist, weil Proton einfach positiver klingt (wenn auch nicht so positiv wie Positron, egal was das nun wieder für ein kleiner Scheißer ist), und worauf sich diese Negativität überhaupt bezieht, davon hab ich schon überhaupt keine Ahnung. Die ganzen Elementarteilchen, die am Ende ein Atom ergeben, müssen irgendwie zusammenpassen und sich verbinden, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber wie ein Teilchen eine negative Eigenschaft oder eine Minusladung haben kann, ist mir ein absolutes Rätsel. Vielleicht muß es nur deshalb im Minus sein, damit der Saldo des Atoms ausgeglichen wird.
    Ich habe Bücher gelesen, die, soweit ich das beurteilen kann, für pseudointellektuelle Nichtphysiker wie mich gedacht waren, die beim Essen über Teilchenbeschleuniger, die Starke Wechselwirkung und Charm-Bosonen große Töne spucken wollen. Sie waren leichtverständlich geschrieben, hatten große Diagramme, kurze Sätze und fast gar keine Formeln, trotzdem blieb, wenn ich das Buch zugeschlagen hatte, kein einziges Faktum hängen, geschweige denn die Prinzipien, die dahinterstanden. Aber sobald mir jemand mit leiser Stimme in einem lauten Café mitteilt, daß die Schlacht von Bannockburn im Jahre 1314 ausgefochten wurde, kann ich das bis an mein Lebensende nicht mehr vergessen. Und das verstehe ich eben nicht; 1314 ist doch schließlich auch bloß eine Zahl, oder?
    Ich habe mal etwas über den Krach zwischen Robert Hooke und Isaac Newton gelesen. Hooke behauptete, Newton hätte ihm die Idee gestohlen, daß die Anziehungskraftzweier Körper aufeinander umgekehrt proportional dem Quadrat ihrer Entfernung sei. Das hat er ihm nie verziehen. Ich weiß noch genau, wie wir diesen Lehrsatz in der Schule durchgenommen haben, weil ich damals dachte, der würde sich in einem Aufsatz über das 17. Jahrhundert gut machen (en passant erweisen Historiker Naturwissenschaftlern ganz gern ihre Reverenz, Darwin, Newton und Konsorten; ein paar Bemerkungen über »mechanistische Universen« und den »Umsturz viktorianischer Gewißheiten« machen sich in einem Geschichtsessay genauso gut wie die alte Standardfloskel vom »Aufstieg der Mittelklasse«. Jedes Kind weiß heutzutage, daß es keine einzige Geschichtsperiode gibt, über die sich nicht mit gutem Recht sagen ließe, daß es hier zum Aufstieg oder zur Genese einer neuen Mittelklasse kam; ebensowenig gibt es nach dem 16. Jahrhundert noch einen Geschichtsabschnitt, über den man nicht schreiben könnte, hier seien »alte Gewißheiten weggefegt worden«). Mopsfidel schreibe ich die Formel von Hooke-Newton also in meine Kladde, um sie auswendig zu lernen. Beim Schreiben schaue ich mir jedes Wort genau an. Sie sehen so einfach aus. »Die Anziehungskraft zweier Körper aufeinander« – alles paletti. Kann man ohne weiteres behalten, erst recht als Schüler, der sowieso Tag und Nacht von Körpern angezogen wird. Wir wissen, daß »Körper« für einen Physiker üblicherweise »Objekte im Raum« bezeichnen. »Die Anziehungskraft zweier Körper aufeinander ist umgekehrt …« Auch das ist keine große Hürde, im richtigen Leben läßt einen diese Anziehungskraft ja auch ständig umkehren. Der Mond wird also von der Sonne angezogen, aber nicht so sehr oder vielleicht etwas mehr als von der Erde. Damit hab ich kein Problem. »Die Anziehungskraft zweier Körper aufeinander ist umgekehrt
proportional
…« Oh-oh. »Proportional«, was? Da haben wir den Salat. Periskop einfahren. Alarm auslösen. »… umgekehrt proportional
dem Quadrat ihrer Entfernung
.« Tauchen, tauchen, tauchen! Gut, ich weiß, was ein Mathematikerunter einem Quadrat versteht. Zwei zum Quadrat ist vier. Vier zum Quadrat ist sechzehn und so weiter. Das hab ich noch

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