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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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spekulativen Unverschämtheiten weg. Vielleicht läßt sich aus dem Wrack ja noch etwas bergen. Wie konnten Sie bloß glauben, ich würde jemals auch nur in Erwägung ziehen, solchen Kokolores an meine Kollegen weiterzuleiten?« Er rülpste plötzlich, schlug sich auf den Schenkel und schaukelte vor und zurück. »Also alles was recht ist, die müßten ja glauben, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank.«
    Ich stand auf, um zu gehen. »Gute Güte«, sagte ich und musterte ihn vom Haarnetz bis zu den Strohsandalen, »das müssen wir unter allen Umständen vermeiden.«
     
    Nachdem ich der drückenden Hitze seiner Wohnung entronnen war, beugte ich mich über das Geländer der Sonnet Bridge und suchte in der viel zu schwachen Brise Linderungfür Leib und Seele. Unter mir glitten Stocherkähne flußauf und flußab, erfüllt vom Jubel der Knalltüten, die den Klausursälen glücklich entkommen waren. Mist, dachte ich. Mist und Dreck und Schaufel und Handfeger. Manchmal hat einen das Leben echt am Arsch.
    »Hu-hu!«
    Am Flußufer kuschelten Jamie McDonell und Double Eddie in hautengen Lurexhosen, versöhnt und glücklich. Ich winkte ihnen schüchtern zu.
    »Trau dich, Puppy. Spring schon, das willst du doch!«
    »Ich, äh, ich hab noch eure CDs«, rief ich hinab. »Soll ich damit mal vorbeikommen?«
    Sie lachten engumschlungen. »O ja! Komm doch. Bitte! Komm, komm, komm! Komm doch endlich!«
    Eine Stimme hinter mir ließ mich zusammenfahren. »Der Anblick der Jeunesse dorée stimmt melancholisch, finden Sie nicht?« Unter einem unmöglichen Panamahut sah Leo Zuckermann auf Jamie und Double Eddie hinab, die sich ineinander verkeilten. »Wind, sag an, wenn Sommer kam, ob Herbst dann fern sein kann?« zitierte er.
    »Die beiden haben gut reden«, sagte ich mürrisch, obwohl ich sie mochte. »Die sind im zweiten Jahr. Weder Examina noch Zwischenprüfungen. Nur Maiwoche und Wein.«
    »Und es ist natürlich der letzte Schrei, schwul zu sein.«
    »Ja, wahrscheinlich …«
    »Der rosa Winkel ist ein Ehrenzeichen. Nebenbei bemerkt, Michael, wußten Sie, daß es in den Lagern auch rote Winkel gab?«
    »Tatsächlich? Für wen?«
    »Raten Sie mal.«
    »Ein roter Winkel?«
    »Genau.«
    Ich überlegte einige Zeit. Solche Sachen sollte ich eigentlich wissen. »Der war nicht zufällig für die Zigeuner, oder?«
    »Nein.«
    »Ähm … Kriminelle?«
    »Nein.«
    »Lesben?«
    »Nein.«
    »Kommunisten?«
    »Nein, nein.«
    »Herrje. Das ist ja richtig schwierig …«
    »Ja, nicht wahr? Ein merkwürdiges Spiel; man muß sich in die Gedankenwelt eines Nazis hineinversetzen und sich immer neue Menschengruppen ausdenken, die man hassen kann. Versuchen Sie’s noch mal.«
    »Innenarchitekten?«
    »Nein.«
    »Geisteskranke?«
    »Nein.«
    »Slawen?«
    »Nein.«
    »Polen?«
    »Nein.«
    »Äh … Mohammedaner?«
    »Nein.«
    »Kosaken?«
    »Nein.«
    »Anarchisten?«
    »Nein.«
    »Kriegsdienstverweigerer?«
    »Nein.«
    »Deserteure?«
    »Nein.«
    »Journalisten?«
    »Nein.«
    »Meine Güte, ich geb’s auf.«
    »Was denn, schon? Sonst fällt Ihnen niemand ein?«
    »Ladendiebe? Nein, Sie hatten ja gesagt, keine Kriminellen. Ähm, eine Volksgruppe?«
    »Der rote Winkel? Nein, für keine Volksgruppe.«
    »Politisch?«
    »Auch nicht für Politische.«
    »Was denn dann?«
    »Na gut. Ich werde Ihnen verraten, wem der rote Winkel galt. Ich verrate es Ihnen, wenn Sie meinem Laboratorium einen Besuch abstatten. Wann darf ich damit rechnen?«
    »Ach ja. Nun, ich muß jetzt noch einiges nacharbeiten …«
    »Paßt es Ihnen morgen früh? Ich würde mich sehr darüber freuen. Dann können wir uns auch über Ihre Doktorarbeit unterhalten.«
    »Sie haben sie also gelesen?«
    »Natürlich.«
    Ich wartete auf sein Lob, aber mehr sagte er nicht. Ich hasse das wie alle Schriftsteller. Wissen Sie, das war schließlich mein Baby, Herrgott noch mal. Stellen Sie sich vor, Sie liegen auf der Entbindungsstation, und Ihre Freunde geben sich die Klinke in die Hand, um das Neugeborene zu sehen.
    »Das ist es also, ja?«
    »Ja!« keuchen Sie, ganz die glückselige Mutter.
    Schweigen.
    Also wirklich … so geht das ja nun nicht. Ich verlange ja gar nicht, daß man gleich niederkniet und Gold, Weihrauch und Myrrhe darbietet, aber etwas, nur ein kleines »aaaaaah!« …
irgend
etwas sollte schon drin sein.
    »Gut«, sagte ich endlich, als überdeutlich war, daß hier keine spitzen Schreie des Entzückens und der Bewunderung zu erwarten waren. Ich errötete etwas bei der Vorstellung,

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