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Geschichte machen: Roman (German Edition)

Geschichte machen: Roman (German Edition)

Titel: Geschichte machen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Sie sich sonst noch angeschaut? Irgendwelche Schlachten oder Erdbeben? Was weiß ich, Hiroshima oder so?«
    »Hiroshima habe ich gesehen, ja. Auch die Westfront im Ersten Weltkrieg habe ich mir angeschaut. Verschiedene Zeiten und Orte. Ich fürchte jedoch, ich bin immer nach Auschwitz zurückgekehrt. Nebenbei bemerkt, die Antwort lautet Zeugen Jehovas.«
    »Äh … ich kann Ihnen nicht folgen. Die Antwort worauf lautet Zeugen Jehovas?«
    »Der rote Winkel, wissen Sie noch? Sie sind nicht darauf gekommen, wer den tragen mußte. Es waren die Zeugen Jehovas.«
    »Aha.« Mehr fiel mir dazu nicht ein. »Und Sie kehren immer nach Auschwitz an diesem einen Tag zurück?«
    »Immer zum selben Tag.«
    »Und Sie können nichts weiter machen, nicht einmal … Kontakt aufnehmen?«
    »Nein. Es ist … wie soll ich das beschreiben? Es ist wie ein Radio. Sie können Sendungen empfangen, aber Sie selber können nicht senden.«
    »Und Sie wissen nicht, was Sie da vor sich haben? Das läßt sich nicht interpretieren?«
    »Die Farben weisen auf bestimmte Elemente hin. Sauerstoff ist blau, Wasserstoff rot, Stickstoff grün und so weiter. Aber das ist natürlich keine große Hilfe.«
    »Wem haben Sie das sonst noch gezeigt?«
    »Sie fragen einem ja richtige Löcher in den Bauch. Sie sind der erste Mensch, der dieses Gerät zu sehen bekommt.«
    »Warum gerade ich?«
    Er sieht mich an. »Ein Gefühl«, sagt er.

Krieg machen
    Adi und Rudi
     
    Um sechs Uhr früh war es noch stockfinster, und dazu kam dieser Nebel, in dem man die Hand nicht vor Augen sah. Ausgerechnet in einem solchen Augenblick mußte Stöwer, der Zugführer, eine seiner Ansprachen halten.
    »Männer! Die englische Front verläuft zwischen Gheluvelt und Becelaere, und Ypern liegt nur acht Kilometer weiter östlich. Das Sechzehnte hat Befehl, die Linien der Tommys im Kern zu durchstoßen. Wir werden siegen. Oberst von List verläßt sich auf uns. Deutschland verläßt sich auf uns.«
    Die Gemeinen Westenkirchner und Schmitt spähten durch die Dunkelheit in die Richtung, aus der Stöwers Stimme herüberdrang.
    »Deutschland weiß doch nicht mal, daß es uns gibt«, sagte Ignaz Westenkirchner heiter.
    »Red nicht so dummes Zeug«, knurrte eine Stimme zwischen ihnen.
    Ignaz blickte überrascht in das fahle Gesicht zu seiner Rechten. Mit seinen eins zweiundsiebzig war Adi – so nannten ihn alle – etwas größer als der Durchschnitt, aber seine zarten, bleichen Gesichtszüge und die schmalen Schultern ließen ihn kleiner und schmächtiger erscheinen als die anderen.
    »Entschuldigt, Herr.« Ignaz neigte den Kopf und ahmte einen preußischen Junker nach.
    Noch fünfundvierzig Minuten. Von den englischen Linien knatterte Streufeuer herüber, das fette Klatschen der Schüsse klang jedoch eher komisch als gefährlich, wie das Furzen eines vollgefressenen Ochsen.
    Ernst Schmitt bot stumm Zigaretten an. Adi warf einen Blick auf das Päckchen und sagte nichts, woraufhin sich Ignaz zwei nahm.
    »Selbst jetzt nicht?« fragte er erstaunt. »Wo’s doch gleich ins Gefecht geht?«
    Adi schüttelte den Kopf und zog sein Gewehr näher an den Körper. Ignaz erinnerte sich, wie er ihn am zweiten Tag ihrer Ausbildung gesehen hatte. Sofort nach der Waffenausgabe war Adi mit seinem Gewehr so vertraut gewesen. Hatte es so erstaunt und entzückt betrachtet, wie eine Frau neue Seidenunterwäsche aus Paris anstarrt.
    »Hast du noch nie geraucht?«
    »Früher mal«, sagte Adi. »Gelegentlich. Aus Gründen der Geselligkeit.«
    Ignaz sah Ernst an und zog eine Augenbraue hoch. Adi konnte man sich schwer bei etwas Geselligerem vorstellen als in der Essensschlange im Kasino oder unter den Gemeinschaftsduschen. Wie gewöhnlich machte Ernst keine Anstalten, auf den angebotenen Witz einzugehen.
    Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte Ignaz, ein Puritaner und ein humorloser Bauer.
    Wie aufs Stichwort ertönte weiter westlich im Graben ein Pfiff, und Gloder gesellte sich zu ihnen. Trotz seiner neunzehn Jahre wirkte Rudi Gloder lebhafter und reifer als Adi und Ernst, die beide schon Mitte Zwanzig waren. Der fröhliche, gutaussehende und blonde Rudi war mit seinen leuchtend blauen Augen und seiner Schlagfertigkeit bei allen Männern der Kompanie beliebt. Er hatte bereits den Rang eines Gefreiten, aber niemand mißgönnte ihm die Beförderung. Wenn man nur von ihm hörte, von seinen Schießkünsten, seinem Talent, sich Spottverse auszudenken, und seiner Anteilnahme am Schicksal anderer, konnte er einem zunächst

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