Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichten aus der Müllerstraße

Geschichten aus der Müllerstraße

Titel: Geschichten aus der Müllerstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: be.bra Verlag , Hinark Husen , Robert Rescue , Frank Sorge , Volker Surmann , Heiko Werning
Vom Netzwerk:
Trekking-Mountain-Streetgang Fashion Bike, oder?«
    Ich war einerseits erleichtert, anderseits aber enttäuscht, dass er meinen möglichen Sohn ad absurdum führte.
    »Nein«, antwortete ich schleppend. »Es ist ein blaues Herrenrad ohne alles.«
    »Das mit dem Loch im Vorderreifen?«
    »Ja, das.«
    »Ach so. Das ist nicht abgeholt worden. Das steht hinten im Lager. Ich habe den Schlauch geflickt und den Dynamo repariert. Außerdem habe ich noch eine Klingel drangebaut, falls sie mal von der Polizei kontrolliert werden. Jetzt fahren Sie verkehrsgerecht.«
    Ich nickte bloß und ließ es über mich ergehen.
    Schlussendlich zahlte ich fünfzehn Euro mehr als veranschlagt, Francis verstieg sich wortreich in die Vorzüge seiner Reparaturmaßnahmen, bis ich ihn unterbrach und mitsamt meinem Rad den Laden verließ.
    Jetzt hatte ich ein absolut verkehrsgerechtes Fahrrad, das ich gar nicht wollte, und keinen Sohn, den ich gerne in die Arme geschlossen hätte.
    So kann ein Tag auch verlaufen.

Frank Sorge
Das fiel mir auf
    Endlich habe ich jetzt ein Buch des Weddinger Heimatdichters Jonny Liesegang erwerben können, auf einem Trödel in Neukölln lag es und winkte mir zu. Ganz zufällig und nur für einen Euro, lange schon wollte ich eins haben. Natürlich weiß ich, dass ich es schon jahrelang über das Internet innerhalb weniger Minuten hätte bestellen können. Aber wenn ich alles, was ich einfacher im Internet machen könnte, auch im Internet machen würde, wäre ich ja nur noch im Internet. Ich habe den Entschluss, mindestens eins der Liesegang-Bücher besitzen zu wollen, zwar lange mit mir herumgetragen, aber der Entschluss hat gar nichts gewogen. Ich hatte also auf meine Weise überhaupt keine Mühe, das Buch zu erwerben, es lag eines Tags einfach vor mir und zu einem mutmaßlichen Bruchteil der Kosten, die eine Bestellung mit sich gebracht hätte. Endlich also kann ich einmal wieder bei einer Sache behaupten, ich hätte alles richtig gemacht.
    Es fiel mir gleich auf, wie es da lag mit dem Titel »Det fiel mir uff«, und mir fiel gleich ein, dass es in meinem inneren Warenkorb nachgefragt war. Der Titel ist ziemlich anspruchslos und verspricht nur, dass aufgeschrieben ist, was ihm auffiel. Und so ist es auch, die Geschichten haben drei bis vier Seiten, bestehen im Wesentlichen aus Dialogen und geben Einblick in den Weddinger Alltag, meist wenn irgendwas Ungewöhnliches in ihn hereinbricht. Das Ganze aus der Ich-Perspektive und beinahe hundertprozentig im Berliner Dialekt, ein interessantes Konzept. Man könnte ihn sicher auf die Lesebühne einladen und da er sein ganzes Leben im Wedding verbracht hat, hätte er es auch nicht weit. Bier hat er wohl auch gemocht, leider hat er sein Leben eben schon verbracht, also rumgebracht, der Wedding seiner Geschichten ist siebzig Jahre älter geworden und nur noch Jonnys Urne liegt in direkter Nachbarschaft an der Müller-/Ecke Seestraße.
    Dort stieg ich letzte Woche in die U-Bahn, um etwas in Neukölln zu erledigen, und um den Bucherwerb auf dem Weg zum Ort des Bucherwerbs zu feiern, schrieb ich mal auf, was mir auffiel. Zuerst fielen mir auf: Die Fahrkartenautomaten des Grauens, die Wiederentdeckung der Langsamkeit in Zeiten der Lichtgeschwindigkeit. Mir fiel auf: Ein T-Shirt mit der Glitzeraufschrift »Famous« und eine schlaff zwischen die Beine gehaltene Bierflasche. Eine Werbung für Auftritte von Otto im Admiralspalast fiel mir auf, außerdem ein ganzer Bierrucksack. Eine neue Mode ohnehin, im Wedding auf jeden Fall, der Rucksack voller Flaschen, volle und leere, ein tragbarer Mehrlitertank auf dem Weg zum Promillegipfel. Eine Lederjacke fiel mir auf und giftgrüne Feinstrumpfhosen. Dann Werbung für »Lachen im Bus«, eine Kombination aus Comedy und Stadtrundfahrt, die Werbung wurde von den Fahrgästen ausnehmend grimmig gemustert. Mir fiel auf: Eine Sprache, die ich nicht identifizieren konnte und das erste Plakat zur »Berlin ist, wenn …«-Werbe-Reihe, in diesem Fall eine Kellnerin mit der Aufschrift »Berlin ist, wenn …«. Es war irgendwas mit hart, aber doch ganz anders.
    Mir fielen auf: Schwächen im Kurzzeitgedächtnis durch halbherziges Hingucken, Touristen, ein Kopftuch, das mit bunten Blumen bedruckt war. Mir fiel eine andere Sprache auf, die ich als Gebärdensprache identifizieren konnte, und dann fiel mir mein Umsteigebahnhof auf. Der Geruch von Haarspray fiel mir auf. Ein freier Platz fiel mir auf, eine Karte von Europa und ein Nietengürtel. Dann, dass es

Weitere Kostenlose Bücher