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Geschichten aus der Müllerstraße

Geschichten aus der Müllerstraße

Titel: Geschichten aus der Müllerstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: be.bra Verlag , Hinark Husen , Robert Rescue , Frank Sorge , Volker Surmann , Heiko Werning
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der ist nach München gezogen. Im Wedding habe ich drei Häuser weiter Francis, oder auch Franzmann, wie sich sein Reparaturladen nennt. Er macht es nicht unter zehn Euro pro Job und stattet auch keine Hausbesuche ab. Seiner Fahne nach zu urteilen macht er die Arbeit vielleicht auch für eine Flasche Rotwein, aber da darf man ihm bestimmt nicht mit einem Discounter-Angebot für 1,99 Euro kommen.
    Besucht habe ich ihn das erste Mal, als ich nach einem Jahr Stillstand mein Fahrrad entstaubte und gleich mit mehreren Mängeln konfrontierte wurde, wobei die Acht im Hinterreifen am deutlichsten machte, dass ich mit dem Rad so nicht mehr vorankommen würde. Wie dieser Schaden, den Francis später scherzhaft »88« nennen sollte, entstanden war, konnte ich mir nicht erklären. Ich hatte das Rad zwölf Monate nicht bewegt und es in der Wohnung aufbewahrt. Also schob ich das Fahrrad rüber und lernte Francis kennen, einen kompetenten Mechaniker, der Selbstgedrehte raucht und, wie oben beschrieben, eine riechbare Fahne vor sich her atmet.
    Mit fachmännischem Blick begutachtete er mein Fahrrad, stellte alle die Mängel fest, die ich auch festgestellt hatte, und ging dann ein Stück zu weit:
    »Den Dynamo werde ich mir auch mal anschauen. So wie ich es sehe, ist die Lichtanlage defekt.«
    »Ich benutze sie nicht«, sagte ich und zeigte auf die beiden Lampensockel. »Ich benutze Einstecklampen, weil das cool ist. Dynamo war gestern.«
    Francis zuckte mit den Schultern und grinste dann verlegen.
    »Haben Sie noch einen Wunsch?«
    »Ja, den habe ich. Am Vorderrad befindet sich ein französisches Ventil. Dieses Ventil geht mir auf den Keks. Es ist kompliziert, mit einer normalen Luftpumpe Luft in dieses verdammte Vorderrad zu pumpen wegen diesem verfickten Ventil. Ich will ein deutsches Ventil.«
    »Ich kann Ihnen einen Adapter geben«, bot Francis an. »Dann passt französisch auf deutsch und alles ist in Ordnung.«
    »Na gut, dann einen Adapter, damit ich nicht mehr dieses verdammte französische Ventil ein klein wenig aufschrauben muss, damit ich die normale Luftpumpe draufklemmen kann, um endlich Luft in dieses verfickte Rad zu bekommen. Wenn ich nur wüsste, welcher bekloppte Heini so einen Scheiß erfunden hat.«
    »Sicherlich war es ein Franzose«, warf Francis mit einem bedeutungsschwangeren Unterton ein. »Ich BIN übrigens französischer Staatsbürger.«
    »Aber du hast den Mist nicht zu verantworten, oder?«
    »Nein, aber ich heiße französische Ventile gut, schon allein, weil sie einen Bezug zu Frankreich haben. Ich bin nämlich Patriot.«
    »Mag sein«, entgegnete ich. »Ich finde auch ’ne Menge Sachen an Frankreich gut, zum Beispiel Rotwein, aber dieses Ventil gehört bestimmt nicht dazu. Es ist unhandlich.«
    Das war für mich das Schlusswort. Zwei Stunden später kam ich wieder und holte mein Rad ab. Alles war sorgsam repariert und funktionierte. Ich war froh, einen solchen Service um die Ecke zu haben.
    Zwei Tage später musste ich wieder bei Francis aufkreuzen. Ich hatte mich zuvor beim Fahrradfahren bemüht, die ganzen Glassplitter auf den Straßen zu umfahren, hatte dafür beinahe Verkehrsunfälle riskiert, aber vor der Haustür machte es dann PÜÜÜÜÜSCH.
    »Soll ich auch den Dynamo reparieren?«, fragte mich Francis. »Die Lichtanlage muss, so wie ich es sehe, erneuert werden.«
    Offensichtlich hatte er mich bereits vergessen. Dabei war ich auf dem besten Weg, ein treuer Kunde zu werden. »Nein«, antwortete ich gleich und zeigte auf die Lampensockel. »Ich benutze Einstecklampen, wie ich schon sagte. Dynamo ist Old School, wobei ich das so noch nicht gesagt habe.«
    »Na gut, also nur ein neuer Schlauch im Vorderrad.«
    »Genau«, antwortete ich, bedankte mich und ging meiner Wege.
    Als ich am nächsten Tag wiederkam, um das Fahrrad abzuholen, erlebte ich eine Überraschung. »Ihr Rad ist schon abgeholt worden«, erklärte mir Francis: »Von ihrem Sohn.«
    Ich erschrak bis ins Mark. Ich hatte einen Sohn! Warum wusste ich nichts von ihm? Wer war die Mutter? Warum hatte sie mir das verheimlicht? Ich hatte erstmals mit achtzehn Jahren Sex gehabt, damals in Westdeutschland. War es da passiert? Dann war mein Sohn jetzt fünfundzwanzig. Hatte er vor Kurzem erst von seinem Vater erfahren, war nach Berlin gefahren und sich, klug wie er es von mir geerbt hat, dazu entschieden, mich durch das Abholen meines Fahrrades mit ihm zu konfrontieren?
    Francis riss mich aus meinen Träumereien.
    »Das war doch das silberne

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