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Geschichten aus der Müllerstraße

Geschichten aus der Müllerstraße

Titel: Geschichten aus der Müllerstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: be.bra Verlag , Hinark Husen , Robert Rescue , Frank Sorge , Volker Surmann , Heiko Werning
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in der Werbung heißt »wenn’s härter gesagt als gemeint ist«. Und ich dachte immer, der Berliner meint es härter als er aus Rücksicht auf feinfühlige Fremde gesagt hat.
    Mir fiel auf, dass ich am Ziel war, in Neukölln. Mir fielen prächtige Hängegeranien auf, und dass viele ältere Herren allein an Imbiss- und Bäckereitischen sitzen und ganz im Reinen mit dem Straßenkosmos scheinen. Zurück fiel mir ein weiterer Fahrkartenautomat des Grauens auf, der es wieder schaffte, mir die Karte in dem Moment auszuwerfen, als meine U-Bahn abfuhr. Mir fiel auf, dass das
Berliner Fenster
eine Windows-Fehlermeldung zeigte und dass es sechzehn Uhr war.
    Heimwerkerstunde, viele, viele Handwerker, die nach Hause fuhren, fielen mir auf. Mir fielen sie auf in den Varianten: Blaumann klassisch, Blaumann mit passender Blaumann-Jacke und Blaumann mit Kapuzenpulli-Ghetto-Style.
    Und wieder stand ich an der Seestraße, da irgendwo rechts hinter der Mauer würde ich irgendwann mal nach dem Grabstein suchen und dem Liesegang einen Besuch abstatten. Ich stand an der Ampel, auf einem VW-Bus der Feldjäger der Bundeswehr fiel mir ein Schriftzug auf. Feldjäger-Notruf stand da mit einer Telefonnummer. Wann wäre die Situation, die Feldjäger per Notruf zu holen, und wie sollte man sich diese lange Nummer merken, damit man sie in der passenden Situation parat hat, überlegte ich. Aber das führte hier zu weit, es fiel mir halt einfach nur auf.

Volker Surmann
Wie ich in Berlin einmal fast gesteinigt wurde
    Oder:
Spiegel Online
hat vielleicht doch recht
    Ich war ja so weit, meinen Weddinger Kollegen zu glauben. Nach fünf Jahren hatten sie mich beinahe dazu gebracht, alle Berichte über die Gefährlichkeit des Weddings für eine einzige Verschwörung von
Spiegel Online
zu halten.
    Ich hatte Heiko Werning sogar abgenommen, die massiven Gitter vor den Fenstern seiner Erdgeschosswohnung, die Stahlplatte an der Eingangstür und die sage und schreibe fünf Schlösser davor, inklusive eines mehrere Zentimeter dicken Stahlriegels, rührten allein vom krankhaften Sicherheitsbedürfnis seiner Vormieterin. Er wisse gar nicht, wo die Schlüssel seien, und der Stahlriegel sei auch nur so blank, weil seine Söhne den immer so gerne ableckten. Kinder halt. Nein, nein, der sei nicht in Benutzung.
    Andererseits kann es doch kein Zufall sein, dass der neu geschaffene kleine Garten hinter der Wohnung mit zwei Meter hohen Zäunen umgeben ist und der Sandkasten für Heikos Söhne von gleich mehreren Brauseboy-Kollegen einsehbar ist.
    Und auch die Tatsache, dass Robert Rescue und Frank Sorge mit dem Zuzug in den Wedding schlagartig an Körperumfang zulegten und Heikos Erscheinung schon immer recht massiv war, kommt mir inzwischen verdächtig vor. Wahrscheinlich tragen sie unter ihrer Straßenkleidung heimlich kugelsichere Westen.
    Zugegeben, ich mache vielleicht ein dummes Gesicht, wenn ich nachts um halb drei müde und leicht angetrunken von einer Party komme, die U-Bahn knapp verpasse und mich die Leuchtschrift »U6 nach Mariendorf: 14 Minuten« scheel angrinst. Eine Verabschiedung weniger, zwei Schritte schneller auf dem Weg und ich hätte einfach so in die U-Bahn springen können. Die folgende Szene wäre mir erspart geblieben und ich dürfte weiter an die Mär vom freundlichen Arbeitslosenbezirk mit sympathischen Alkis und drolligen Migrationshintergründlern glauben.
    So aber grinsten mich nicht nur die Buchstaben der elektronischen Anzeigetafel an, sondern auch drei gelangweilte Jugendliche auf dem anderen Bahnsteig gegenüber, die in astreinem Gangsta-Outfit auf einer Bank hockten. Einer mit schiefer Basecap, vermutlich deutsch-stämmig, wobei deutsch-stämmig tatsächlich passte: Er war etwas pummelig; ob er wirklich deutscher Herkunft war, konnte ich nicht genau eruieren, da er sich lautlich dem hiesigen Gangsta-Rapper-Soziolekt vollständig angepasst hatte. Sein Kumpel, schlaksig und größer, deutlich mit Migrationshintergrund, machte auf Bushido-look-alike, der Dritte ist mir nicht im Gedächtnis geblieben. Er war ein Dritter halt, der dabei war, weil immer ein Dritter dabei sein muss, dessen Rolle es ist, nichts zu sagen oder tun, sondern nur treudoof den anderen beiden hinterherzudackeln und alles cool zu finden, was die sagen oder tun. Die Kollegin Kali Drische hat solche Gesellen einmal sehr passend mit »Füllstoff« umschrieben.
    Die drei langweilten sich. Das war unschwer zu erkennen, denn sie hatten mich als ihr Unterhaltungsprogramm

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