Geschichten aus der Müllerstraße
dit?
SABRINA : NEE, SARAFINA, DIT ANDERE DRÜBEN!
RITA : Na los, Jeremy!
HERTA : Mach doch ma!
RITA : Na los! Is doch nich so schwer.
HERTA : Mensch, Jeremy, mach doch ma.
RITA : Jetzt mach endlich, du faule Kackbratze!
SABRINA : BEI DIE FAHRRÄDER VIELLEICHT!
RITA :
(Zu Herta.)
Manchma willer einfach nich. Aba eigentlich kann er dit. Da isser richtig jut drin.
HERTA : Wie alt isser denn?
RITA : Ölf.
SABRINA : NEE, JEREMY, DIT SIND RATTENKÖDER!
HERTA : Und dit Gör?
RITA : Dit is die Sarafina. Och Ölf.
HERTA : Mensch, Rita!
SABRINA : DA IS OCH KALT!
RITA : Watt’n?
HERTA : Wie geht’n dit?
RITA : Na Zwillinge, Herta.
HERTA : Nee, Rita. Dit mein ick doch jar nich.
SABRIA : SACH MA, SARAFINA, HASTE SCHEISSE AUF DEN AUGEN?
RITA : Wat meinst’n dann?
HERTA : Na, wie dit sein kann, mein ick. Wie kannet denn sein, dass de gleich zwee Enkelkinder haben tust und ick beede noch nie zu Jesicht bekomm’ hab.
RITA : Biste sicha?
HERTA : Ja.
SABRINA : KLAR, JEREMY, GUTE IDEE!
RITA : Janz bestimmt?
SABRINA : WIRKLICH GUTE IDEE!
HERTA : Klar. Janz sicha.
SABRINA : ICK BIN BESTIMMT HEUT MORJEN IN ALLER HERRJOTTSFRÜHE IN DIE BESCHISSENE MÜLLTONNE JEKLETTERT!
RITA : Du, Herta, da kann ick och nichts füa. Die Sabrina und der Ringo, die woh’n halt so fürchterlich weit weg.
HERTA : Aba Rita! Man muss die Mischpoke doch zusammenhalten!
RITA : Denkste dit weeß ick nich? Dit hab ick der Sabrina doch och imma jesacht. Immer wieder. Hör zu, Sabrina, hab ick jesacht, du hast nur eene Familie. Wat soll denn ma werden aus deene Kinner, so janz ohne Großmama?
SABRINA : ICK HAB JETZT ECHT JENUG. GEHT MA ’N BISSCHEN UFFER STRASSE SUCHEN. ICK KUCK JETZ’ FUSSBALL!
HERTA : Wo wohnse denn?
RITA : In Spandau.
HERTA : Wie!? Siemensstadt!?
RITA : Nee. Spandau-Altstadt. So richtig.
HERTA : Und wer war ditte?
(Zeigt zum anderen Fenster.)
RITA : Wer?
HERTA : Na, ditte eben! Der Papa von die Görn?
RITA : Nee. Dit war doch die Sabrina! SABRINA! KOMMSTE NOCHMA HER?
SABRINA : Wat issn?
RITA : Sachste ma hallo zu die Herta?
SABRINA : Tachchen.
HERTA : Groß biste jeworden.
SABRINA : Danke!
HERTA : Janz der Papa!
SABRINA : Ja, ja. Dit hör ick öfter.
HERTA : Wat issn nu mit die Eier?
SABRINA : Wat für Eier?
HERTA : Na, für Jeremy und Saradingsbums.
SABRINA : Wat soll’n damit sein?
HERTA : Wo hastse denn versteckt?
SABRINA : Bin ick bescheuert? Ick hab doch keene Eier versteckt. Jeht doch ums Suchen!
HERTA : Macht man dit so in Spandau?
SABRINA : Nö. Aber frag ma meene Mutter.
RITA : Dit hab ick mit der Sabrina och immer so jemacht.
SABRINA : Janz alte Familientradition. Hia im Wedding!
HERTA : Na, dann Frohe Ostern!
(Ende der Szene.)
Frank Sorge
Wir warten
Ich warte an der Tram-Haltestelle, an der auch andere warten. Wir gehen davon aus, dass uns die nächste Tram Richtung Osloer Straße fahren wird. Letztlich weiß man das aber nie so genau.
Im Bereich des Möglichen wäre zum Beispiel, dass sie einfach rückwärtsfährt bis zur Starthaltestelle und der Fahrer ausruft »April, April«, obwohl noch November ist. Auch könnte sich jemand in den Weg stellen und mit bis dato geheim gehaltenen Superkräften die Tram daran hindern, Richtung Osloer zu fahren. Ich weiß nicht, ob nicht vielleicht das schon ausreicht, was man sich hier in den Muckibuden ringsherum in die Pausenmilch rührt, um mit einer Hand die Tram aufzuhalten, bis deren Räder durchdrehen und sich funkensprühend in die Schienen einschleifen.
Superman war schließlich gestern und ist längst ein Auslaufmodell. Die Rechenkraft von Computern zum Beispiel hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg mindestens verzehntausendfacht, auf anderen Gebieten wie dem Kraftsport habe ich eine ähnliche Steigerung vielleicht einfach nicht mitbekommen. Und selbst, wenn die Kraft desjenigen nicht ausreicht, um die Tram zu stoppen, wird die Tram doch stoppen, definitiv, diese Wette gewinnt man in jedem Fall.
Eine alte Frau wartet mit mir. Sie hat einen Rollator mit Körben, in denen ein paar Dinge in Plastiktüten verstaut sind, und sie hat ein Alter erreicht, das man von außen nur noch in Jahrzehnten schätzen kann. Wären es Jahrhunderte, würde ich mich auch nicht wundern, sie strahlt gewissermaßen ein zeitloses Greisenalter aus. Wie Gandalf etwa, der gegenüber an der Wand des Kinos
Alhambra
klebt und zu uns hinübersieht. Auch nicht wundern würde mich bei dieser Frau, wenn sie überraschende Zauberkräfte offenbarte. Den
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