Geschmiedet in Feuer und Magie - Fox, D: Geschmiedet in Feuer und Magie - Dragon in Chains
wir folgen, solange wir nur die Drachin niederhalten …«
»Aber?«
»Aber ich mag Li Ton nicht – und Ping Wen auch nicht. Ich vertraue keinem Plan, den sie ausbrüten. Mein Onkel sagt, dass wir dem Kaiserreich nicht treu sein müssen, aber dennoch …«
Dennoch wusste keiner von ihnen wirklich, warum sie hier waren oder was Li Ton vorhatte. Dabei fühlten sie sich alle gleichermaßen unbehaglich – und gleichermaßen hilflos, etwas dagegen zu unternehmen.
Sie näherten sich der Schmiede, und die Erinnerungen an das letzte Mal belasteten Han immer stärker. An die Nacht, in der er die Drachin durch die Augen dieses anderen Jungen gesehen hatte … Wie hatte er noch geheißen? Ja, Yerli. Der seltsame Yerli, der jetzt tot war, der an den Ort gegangen war, vor dem er sich am meisten gefürchtet hatte, nur um Han etwas zu zeigen, das keiner von beiden verstanden hatte.
Han verstand es jetzt, zu spät.
Noch näher heran. Der Landesteg, an dem sie beim letzten Mal vor Anker gegangen waren, war verschwunden.
Kurz hoffte Han, dass es keine Möglichkeit geben würde, an Land zu gehen; aber natürlich mussten hier Menschen an Land gegangen sein, bevor es den Anleger gegeben hatte, der sonst ja nicht hätte gebaut werden können. Der Landesteg war bequem, aber nicht zwingend notwendig.
Der Fischer sagte, er wüsste einen Weg ans Ufer. War er alt und weise und trug diese Wasser in den Knochen – oder war er alt und dumm, mit wässrigen Augen und wässrigem Hirn? Han fiel es schwer, sich darum Gedanken zu machen. Die Schmiedeinsel war der letzte Ort auf der ganzen Welt, den er gern wieder betreten wollte; Erinnerungen umfingen sie wie der Nebel, wie Lichter im Nebel: Tod und Schmerz, Grausamkeit und Schrecken.
Wenn der alte Mann einen Fehler machte, würden sie es nie ans Ufer schaffen. Han dachte, dass ihm das beinahe lieb gewesen wäre. Beinahe. Aber dann würde das Boot zerschmettert werden und sie würden alle hinunter ins Wasser gleiten, tief hinab, dorthin, wo die Drachin weit unter der Oberfläche wartete. Er würde unter dem Gewicht all dieser Ketten als Erster und am schnellsten versinken; sie würde ihn hocherfreut willkommen heißen. Ihre glänzenden Augen würden wie Lichter im Nebel leuchten, um ihm den Weg durchs trübe Wasser zu weisen. Glänzende Augen, geöffnetes Maul.
Kein Nebel, jetzt nicht. Im klaren Licht des Abends erreichten sie die Schmiedeinsel. Der alte Yen steuerte an dem zerstörten Landesteg vorbei und scheinbar direkt
auf die Felsen zu. Tiens Hand schloss sich enger um die von Han; er warf einen Blick zurück und sah, wie der alte Mann das Ruder kräftig, beinahe panisch, gegen den Sog und die Strömung des Wassers einsetzte. Wenn das Boot darauf reagierte, dann nur, indem es umso schneller voranschoss. Hans Blick richtete sich wieder nach vorn, um zu sehen, wie das Verhängnis aussah, das auf ihn zukam.
Er glaubte, dass auch die Drachin durch seine Augen zusah. Er war sicher, dass ihre Gedanken, ihre Sinne das Wasser durchdrangen – ihr Wasser, an dem sie alte Besitzrechte hatte -, sodass sie den Bootsrumpf in der Brandung spüren konnte, wie zerbrechlich er war, und wie unwandelbar dagegen die Felsen. Han spürte ihren Eifer, ihre Vorfreude. Ihr wartendes Maul. Sie ärgerte ihn damit, es lauerte in seinem Kopf. Ein Lecken, ein Schlucken.
Doch die ganze Zeit über glaubte ein winziges Flüstern in ihm nicht daran. Der alte Fischer würde sein Boot nicht zerschellen lassen.
Das tat er auch nicht. Als die Katastrophe gerade unabwendbar schien, als Hans Augen schon die Flechten und das Seegras ausmachen konnten, die sich an die Felsen klammerten, die das Boot zerschmettern würden, stieß der alte Mann einen Schrei aus, der laut genug war, das Tosen der Brecher zu übertönen. Im selben Augenblick warf er das Steuerruder herum und stemmte sich mit seinem ganzen klapperdürren Körper dagegen.
Das Boot reagierte bemerkenswerterweise, unmöglicherweise: Im letzten Moment änderte es seine Richtung und glitt schräg in eine auflaufende Welle hinein,
schien eine unerwartete Durchfahrt zu entdecken, eine Spalte zwischen zwei aufragenden Felsen – eine Lücke im Gebiss der Drachin.
Wenn der Frieden, den sie jenseits der Felsen fanden, dem Frieden glich, den man im Maul der Drachin finden mochte – nun gut. Dort war man in Sicherheit, bis sie schluckte. Han dachte, dass das immer und überall wahr gewesen war. Der Tod war immer nur einen Augenblick entfernt, einen Atemzug oder
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