Geschmiedet in Feuer und Magie - Fox, D: Geschmiedet in Feuer und Magie - Dragon in Chains
Sohn des Himmels zu schlafen wünsche.
Mei Feng nahm an, dass ihm das wohl leichter gefallen wäre, wenn die Männer sich nicht von Boot zu Boot etwas zugebrüllt hätten, aber sie langweilten sich und hatten Angst, im Nebel, auf dem Wasser. Sie brauchten etwas zu tun, und es gab nichts; so machten sie stattdessen Krach.
Da der alte Yen am Steuer stand und nur wenig Wind die Segel blähte, konnte Mei Feng mit gutem Grund behaupten, dass sie als Ausguck auf dem Vorderdeck am nützlichsten wäre. Kleine Boote hätten versehentlich ihren Weg kreuzen können; auf See gab es immer unglückliche Zufälle, auch abgesehen von den Felsen und Untiefen, von denen sie sicher wusste, dass ihr Großvater ihnen ausweichen würde. Außerdem musste sie, wenn sie den Blick starr nach vorn gerichtet hielt, nicht mit ansehen, wie ihr geliebtes Boot vor Fremden überquoll. Sie musste nicht ihren Blicken begegnen, um zu wissen, dass sie sie prüfend musterten, sie begehrten …
Sie musste sie aber doch hören, weil ihre dummen Generäle nicht den Verstand oder die Disziplin hatten, die Truppe zum Schweigen zu bringen, während der Kaiser schlief. Sie schienen unglaubliche Dingen zu erzählen: Krieg im ganzen Kaiserreich, sogar in der Verborgenen Stadt; das kaiserliche Heer geschlagen, der Sohn des Himmels auf der Flucht mit allem, was er besaß – bis auf sein Reich, das er zurücklassen musste. Es klang, als begäbe er sich ins Exil, hier auf Taishu. Und als brächte er seine Armee mit und auch seinen Hofstaat. Es hieß, der Jadethron selbst sei beim Tross. Und seine Mutter, seine Dienerschaft, seine Schätze.
Und dann beugte sich dieser junge Mann neben ihr über die Reling. Sie sah, wie jung er wirklich war, wie glatt und narbenlos. All das wurde sichtbar, weil er so wenig trug: nur ein weites Paar Hosen, das ihm kaum bis über die Knie reichte, und ein grobes Hemd. Den kalten Kuss des Nebels auf der Haut nahm er ebenso lässig hin wie sie.
Es war – wie ihr plötzlich aufging – ihr eigenes Hemd. Auch ihre Hose; deshalb war sie ihm zu kurz. Die Kleider zum Wechseln, die sie immer in der Kajüte bereithielt, falls sie unerwartet durchnässt wurde. Der alte Yen konnte eine ganze Nacht lang durchnässt segeln, ohne zu Schaden zu kommen, aber sie hasste es, wenn nasse Kleidung ihr die Haut wundrieb.
Er war ein junger Mann, erschreckend jung, verglichen mit den anderen. Nein, noch nicht einmal das: Er war noch ein Junge, der nur versuchte, ein Mann zu sein. Und er hatte ihre Kleidungsstücke genommen, was bedeutete, dass er in anderer Kleidung an Bord gekommen war, die ihre wohl in der Kajüte gefunden und aus irgendeinem Grund, der ihr nicht sofort einsichtig war, der seinen vorgezogen hatte und …
… und der einzige Junge, der in die Kajüte gegangen war, hätte sich noch dort befinden und schlafen sollen.
Sie wäre auf die Knie gefallen und hätte ihren Kopf auf die Deckplanken geschlagen, wenn seine Hand auf ihrem Arm sie nicht aufgehalten hätte. Die Hand brachte ihre Bewegung völlig zum Erliegen, wie durch einen
Zauberspruch. Sie vermochte unter dem schrecklichen Eindruck dieser Berührung kaum zu atmen.
»Nicht!«, murmelte er, fast flehentlich, was bei einem Jungen, dem die Welt gehörte, seltsam war. »Mach nicht viel Aufheben.«
Mit gewaltiger Anstrengung brachte sie es fertig, gar kein Aufheben zu machen: nur ein leises Geräusch, eine noch leisere Geste. Ein zittriges Kopfschütteln, das er als das Versprechen verstand, das es war.
Er lächelte sie an. »Danke. Hiermit werde ich nicht lange durchkommen. Bald wird jemand mein Gesicht erkennen; oder einer dieser aufdringlichen alten Männer wird in die Kajüte gehen, sehen, dass ich verschwunden bin, die Luke hinter der Koje entdecken und in seiner Angst das ganze Schiff in Panik versetzen. Das wird geschehen. Aber bis es geschieht, lass mich die kurze Zeit hier draußen genießen.« Mit dem Rücken zu seinem Erbe, das Gesicht dem Nebel, der Zukunft, zugewandt. Sie verstand es oder glaubte, es zu verstehen.
Dann dachte sie, dass es geradezu anmaßend war, sich auch nur einzubilden, dass der Sohn des Himmels eine Regung verspürte, die sie nachempfinden konnte.
Wie auch immer, ihr Gehorsam zwang sie zum Schweigen, und so schwieg sie, bis er eine Frage stellte.
»Du lebst auf der Drachenträne?«
Auf der Jadeträne – wir nennen sie Taishu. Aber sie sagte: »Schon mein Leben lang, Herr.« Das war genug. Wenn Herr denn gut genug war, wenn ein einfaches
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