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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Die Brieftasche war in dem Koffer in meiner Hand.
    Impulsiv stieß ich die Tür auf und trat in einen Kellergang. Die Betonwände waren in glänzendem Weiß gestrichen. Von versilberten Parabolzerstreuern unter der Decke ergossen sich Sturzfluten fluoreszierenden Lichts durch den Gang.
    Ich hätte auf der Schwelle zurücktaumeln oder zumindest nach dem Lichtschalter suchen sollen. Statt dessen eilte ich unbesonnen vorwärts, ließ die schwere Tür ächzend hinter mir zufallen, hielt den Kopf gesenkt und verließ mich darauf, daß die Sonnenschutzcreme und der Schirm der Mütze mein Gesicht schützten.
    Ich rammte die linke Hand in die Jackentasche. Die rechte war ungeschützt; mit ihr umklammerte ich den Griff des Koffers.
    Die Lichtmenge, die mich während eines Rennens durch einen dreißig Meter langen Korridor bombardierte, reichte für sich genommen nicht aus, um einen Hautkrebs oder Tumore in den Augen hervorzurufen. Ich war mir jedoch deutlich bewußt, daß die DNS-Schäden in meinen Hautzellen kumulativ waren, weil mein Körper sie nicht reparieren konnte. Setzte ich mich zwei Monate lang jeden Tag eine Minute der Sonne aus, hatte das dieselbe katastrophale Wirkung wie ein einstündiges selbstmörderisches Sonnenbad.
    Meine Eltern hatten mir schon in jungen Jahren eingeschärft, daß eine einzige unverantwortliche Tat vielleicht unbedeutende oder gar keine Konsequenzen hätte, gewohnheitsmäßige Verantwortungslosigkeit hingegen unausweichlich entsetzliche Folgen nach sich ziehen würde.
    Selbst mit eingezogenem Kopf und unter einem Mützenschirm, der einen direkten Blick in die Neonlampen verhinderte, mußte ich die Augen zusammenkneifen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen, das von den weißen Wänden abprallte. Ich hätte die Sonnenbrille aufsetzen sollen, aber ich war nur noch Sekunden vom Ende des Gangs entfernt.
    Der grau und rot marmorierte PVC-Bodenbelag sah wie ein paar Tage altes rohes Fleisch aus. Ein leichtes Schwindelgefühl überkam mich; es wurde ausgelöst von dem scheußlichen Muster der Fliesen und dem fürchterlichen Gleißen.
    Ich ging vorbei an Lager- und Maschinenräumen.
    Der Keller schien verlassen zu sein.
    Die Tür am ferneren Ende des Korridors wurde zu der Tür am näheren Ende. Ich trat in eine kleine Tiefgarage.
    Das war nicht der öffentliche Parkplatz; der war nämlich überirdisch angelegt war. In der Nähe standen nur ein Lieferwagen mit dem Namen des Krankenhauses auf der Seite und ein Krankenwagen.
    Etwas weiter entfernt stand ein Leichenwagen von Kirk’s Funeral Home, ein schwarzer Cadillac. Ich war erleichtert, daß Sandy Kirk die Leiche noch nicht abgeholt hatte und bereits wieder gefahren war. Mir blieb noch Zeit, das Foto meiner Mutter zwischen Dads gefaltete Hände zu legen.
    Neben dem blitzblanken Fahrzeug des Bestattungsunternehmens stand ein Kastenwagen, ein Ford, der fast wie ein Krankenwagen aussah, davon abgesehen, daß er nicht über die üblichen Blaulichter und Sirenen verfügte. Sowohl der Leichenwagen als auch der Kastenwagen standen mit dem Heck zu mir, direkt hinter dem großen, geöffneten Rolltor. Draußen war es dunkel.
    Ansonsten war die Tiefgarage leer, so daß Lieferwagen problemlos hineinfahren konnten, damit man sie entladen und die Lebensmittel, Wäsche und den medizinischen Nachschub, den sie herankarrten, zu dem Lastenaufzug bringen konnte. Im Moment wurde jedoch nichts angeliefert.
    Die Betonwände waren hier nicht gestrichen, und die Neonleuchtkörper unter der Decke waren spärlicher und weiter auseinander angebracht als in dem Gang, den ich gerade verlassen hatte. Trotzdem war dieser Ort nicht ungefährlich für mich, und ich ging schnell zu dem Leichenwagen und dem weißen Kastenwagen.
    In der Ecke des Kellers, direkt links neben dem Rolltor und hinter den beiden wartenden Fahrzeugen, befand sich ein Raum, den ich nur allzugut kannte. Es war der Kühlraum, in dem die Toten aufbewahrt wurden, bis sie in die Leichenhallen gebracht werden konnten.
    In einer schrecklichen Januarnacht vor zwei Jahren hatten mein Vater und ich in diesem Raum bei Kerzenlicht über eine halbe Stunde lang jämmerlich bei der Leiche meiner Mutter gewacht. Wir hatten es nicht ertragen können, sie hier allein zu lassen.
    Dad hätte sie in dieser Nacht vom Krankenhaus zur Leichenhalle und bis zum Krematoriumofen begleitet – hätte er mich allein lassen können. Ein Dichter und eine Wissenschaftlerin, aber so verwandte Seelen.
    Ein Krankenwagen hatte sie vom

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