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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Unfallort zur Operation in die Notaufnahme gebracht. Sie war drei Minuten, nachdem man sie auf den Operationstisch gelegt hatte, gestorben, ohne das Bewußtsein zurückerlangt zu haben, und noch bevor man das volle Ausmaß ihrer Verletzungen feststellen konnte.
    Nun stand die Isoliertür zum Kühlraum offen, und als ich mich ihr näherte, hörte ich, daß dahinter einige Männer stritten. Trotz ihres Zorns hielten sie die Stimmen gesenkt; der Unterton angestrengter Meinungsverschiedenheiten wurde von einem Tonfall der Dringlichkeit und Geheimnistuerei gedämpft.
    Eher ihre Umsicht als ihr Zorn ließ mich stehenbleiben, als ich gerade die Türschwelle erreicht hatte. Trotz des tödlichen Neonlichts stand ich einen Augenblick lang unentschlossen da.
    Hinter der Tür erklang eine Stimme, die ich kannte. »Wer ist denn dann dieser Bursche, den ich einäschern soll?« fragte Sandy Kirk.
    »Niemand«, erwiderte ein anderer Mann. »Nur ein Landstreicher.«
    »Ihr hättet ihn zu mir bringen sollen, nicht hierher«, beschwerte Sandy sich. »Und was, wenn jemand ihn vermißt?«
    Ein dritter Mann ergriff das Wort, und ich erkannte seine Stimme als die eines der beiden Krankenpfleger, die die Leiche meines Vaters aus dem Zimmer geholt hatten. »Um Gottes willen, können wir das nicht einfach hinter uns bringen?«
    Plötzlich war ich mir sicher, daß es gefährlich war, durch irgend etwas behindert zu werden, und stellte den Koffer auf den Boden, damit ich beide Hände frei hatte.
    Ein Mann erschien in der Türöffnung, sah mich jedoch nicht, da er rückwärts über die Schwelle trat und eine Rollbahre zog.
    Der Leichenwagen war gute zwei Meter entfernt. Bevor ich entdeckt werden konnte, schlüpfte ich zu ihm hinüber und kauerte mich neben der Hecktür nieder, durch die man die Leichen hineinschob.
    Als ich um den Kotflügel spähte, konnte ich den Eingang des Kühlraums noch sehen. Der Mann, der rückwärts hinausging, war mir nicht bekannt: Ende zwanzig, eins achtzig, breit gebaut, mit Stiernacken und Glatze. Er trug Arbeitsschuhe, Jeans, ein rotkariertes Flanellhemd – und einen Ohrring mit Perle.
    Nachdem er die Rollbahre vollständig über die Schwelle gezogen hatte, drehte er sie zum Leichenwagen um, damit er sie schieben statt ziehen konnte.
    Auf der Bahre lag eine Leiche in einem undurchsichtigen Plastiksack mit Reißverschluß. Vor zwei Jahren war meine Mutter in dem Kühlraum in einen ähnlichen Sack gelegt worden, bevor man sie dem Bestattungsinstitut übergeben hatte.
    Sandy Kirk folgte dem Fremden mit dem glattrasierten Kopf in die Tiefgarage und ergriff mit einer Hand die Rollbahre. Er blockierte mit dem linken Fuß ein Rad. »Und was, wenn ihn doch jemand vermißt?« wiederholte er.
    Der Glatzkopf runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Die Perle in seinem Ohr leuchtete. »Ich hab dir doch gesagt, er war ein Landstreicher. Sein gesamter Besitz befindet sich in dem Rucksack da.«
    »Und?«
    »Er verschwindet einfach. Wem fällt das schon auf, wer sollte sich dafür interessieren?«
    Sandy war zweiunddreißig und sah so gut aus, daß nicht einmal sein scheußlicher Beruf die Frauen abschreckte, die es auf ihn abgesehen hatten. Obwohl er charmant und nicht so selbstgerecht würdevoll war wie viele andere in seinem Metier, fühlte ich mich in seiner Gegenwart nicht wohl. Seine wohlgeformten Gesichtszüge wirkten auf mich wie eine Maske, hinter der sich kein anderes Gesicht, sondern bloße Leere verbarg – nicht, als wäre er ein anderer und keineswegs so integerer Mann, wie er vorgab, sondern als wäre er überhaupt kein Mensch.
    »Was ist mit seinen Krankenhausunterlagen?« sagte Sandy.
    »Er ist nicht hier gestorben«, sagte der Glatzkopf. »Ich habe ihn aufgelesen, auf der Fernstraße. Er war als Anhalter unterwegs.«
    Ich hatte niemandem gegenüber je geäußert, wie ich Sandy Kirk wirklich sah: weder meinem Vater, auch nicht Bobby Halloway oder Sasha, nicht einmal Orson gegenüber. So viele gedankenlose Menschen haben unfreundliche Vorstellungen von mir entwickelt, die auf meinem Aussehen und meiner Affinität zur Nacht beruhen, daß ich zögere, dem Club der Grausamen beizutreten und ohne ausreichenden Grund schlecht von jemandem spreche.
    Sandys Vater, Frank, war ein guter und angesehener Mensch gewesen, und Sandy hatte nie etwas getan, was erkennen ließ, daß er nicht so bewundernswert wie sein Dad war. Bis jetzt.
    »Ich gehe ein großes Risiko ein«, sagte Sandy zu dem Mann mit der Bahre.
    »Du

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