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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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anhielt. Mit einem langen Zischen stieß ich ihn zwischen zusammengebissenen Zähnen aus.
    Meine lichtempfindlichen Augen tränten. Ich wischte sie mit dem Handrücken ab.
    Zwei Wände wurden von zahlreichen Reihen rostfreier Leichenhausschubläden beansprucht, in denen die Luft noch kälter war als im Kühlraum selbst, und darin war es schon so kalt, daß mir fröstelte. Auf einer Seite standen zwei polsterlose Holzstühle. Der Boden bestand aus weißen Porzellanfliesen mit lediglich schmalen Mörtelfugen, wahrscheinlich damit man ihn leichter saubermachen konnte, falls ein Leichensack einmal undicht sein sollte.
    Auch hier waren Neonröhren an der Decke befestigt, zu viele davon, und ich zog meine Mystery-Train-Mütze tief in die Stirn. Überraschenderweise war die Sonnenbrille in meiner Hemdtasche nicht zerbrochen. Ich setzte sie auf.
    Ein gewisser Prozentsatz ultravioletter Strahlung durchdringt selbst die hochwertigsten Sonnenschutzgläser. Ich war in der vergangenen Stunde mehr hartem Licht ausgesetzt gewesen als während des gesamten vergangenen Jahrs. Wie die Hufschläge eines furchterregenden schwarzen Pferdes donnerten die Gefahren der kumulativen Belichtung durch meinen Kopf.
    Hinter der geöffneten Tür dröhnte der Motor des Lieferwagens auf. Das Geräusch entfernte sich schnell, verblich zu einem Poltern, und das Poltern wurde zu einem ersterbenden Murmeln.
    Der Leichenwagen folgte dem Ford in den Abend hinaus. Das große, mit einem Motor versehene Garagentor rollte hinab und schlug mit einem lauten Knall auf die Schwelle, einem Knall, der durch die unterirdischen Bereiche des Krankenhauses hallte, und in dessen Kielwasser schüttelte das Echo eine zitternde Stille aus den Betonmauern.
    Ich verkrampfte mich, ballte die Hände zu Fäusten.
    Obwohl der Pfleger bestimmt noch in der Garage war, gab er kein Geräusch von sich. Ich stellte mir vor, wie er, den Kopf vor Neugier schräg gelegt, den Koffer meines Vaters anstarrte.
    Noch vor einer Minute war ich überzeugt gewesen, diesen Mann überwältigen zu können. Nun schwand meine Zuversicht. Körperlich mochte ich ihm mehr als nur gewachsen sein  – aber vielleicht verfügte er über eine Skrupellosigkeit, die ich nicht hatte.
    Ich hörte nicht, wie er näher kam. Plötzlich stand er auf der anderen Seite der Tür, nur ein paar Zentimeter von mir entfernt, und ich wurde mir seiner nur bewußt, weil die Gummisohlen seiner Schuhe auf den Porzellanfliesen quietschten, als er die Schwelle überschritt.
    Wenn er ganz hereinkam, war eine Konfrontation unvermeidlich. Meine Nerven waren so angespannt wie die Hauptfedern eines Uhrwerks.
    Nach einem beunruhigend langen Zögern schaltete der Pfleger das Licht aus. Er trat rückwärts aus dem Raum und zog die Tür zu.
    Ich hörte, wie er einen Schlüssel ins Schloß steckte. Der Riegel schnappte mit einem Geräusch zu, das sich anhörte, als triebe der Hammer eines großkalibrigen Revolvers den Schlagbolzen in eine leere Kammer.
    Ich bezweifelte, daß in den Kühlfächern der Halle irgendwelche Leichen lagen. Das Mercy Hospital – im ruhigen Moonlight Bay – spuckt die Toten nicht mit der hektischen Geschwindigkeit aus, die die großen Einrichtungen in den von Gewalt heimgesuchten Städten an den Tag legten.
    Selbst wenn atemlose Schläfer in diesen rostfreien Stahlkojen gelegen hätten, hätte ihre Gegenwart mich nicht nervös gemacht. Ich werde eines Tages so tot sein wie jeder beliebige Bewohner eines Friedhofs – zweifellos früher als andere Menschen in meinem Alter. Die Toten sind lediglich die Landsleute meiner Zukunft.
    So wie ich Licht verabscheue, war die vollkommene Dunkelheit dieses kühlen, fensterlosen Raums für mich, was klares Wasser für einen Verdurstenden ist. Mindestens eine Minute lang genoß ich die völlige Dunkelheit, die meine Haut umwallte, meine Augen.
    Ich zögerte noch, mich zu bewegen, blieb neben der Tür stehen, den Rücken gegen die Wand gedrückt. Ich rechnete halbwegs damit, daß der Pfleger jeden Moment zurückkehren würde.
    Schließlich nahm ich die Sonnenbrille ab und steckte sie wieder in die Hemdtasche.
    Obwohl ich im Dunkeln dastand, wirbelten helle Feuerräder besorgter Spekulation durch meinen Kopf.
    Die Leiche meines Vaters lag in dem weißen Kastenwagen, dessen Ziel mir ein Rätsel war. In der Obhut von Leuten, deren Motiv mir völlig unverständlich war.
    Mir fiel kein logischer Grund für diesen seltsamen Leichen-tausch ein – abgesehen von dem, daß die

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