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Gesetze der Lust

Gesetze der Lust

Titel: Gesetze der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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Setzling in die Hand nahm und vorsichtig die Wurzeln säuberte.
    Elizabeth schaute Suzanne an. Die Stille hing schwer zwischen ihnen. Beide Frauen warteten … Elizabeth brach das Schweigen als Erste.
    „Ich war acht Jahre alt, als mein Vater das erste Mal in mein Zimmer kam.“
    Suzanne atmete scharf ein und schlug sich die schmutzige Hand vor den Mund.
    „Es tut mir so …“
    „Leid. Ja, ich weiß. Jedem tut es leid. Vor allem meinem Vater, der derzeit in der Hölle schmort. Ihm tut es sehr leid.“
    „Sie waren erst acht Jahre alt. Hat Ihr Bruder davon gewusst?“
    Elizabeth schüttelte den Kopf.
    „Nein. Vater hat ihn auf ein Internat in England geschickt. Er wollte, dass sein Sohn eine ordentliche britische Ausbildung erhielt, so wie er sie genossen hatte. Zum Glück ist mein Bruder aus seinem hochanständigen Internat hinausgeworfen und zu uns zurückgeschickt worden. Ansonsten hätte ich die Aufmerksamkeit meines Vaters noch länger ertragen müssen als sowieso schon.“
    „Rausgeworfen? Was ist passiert?“
    Elizabeth lachte, ein kaltes, humorloses Lachen.
    „Als Sie meinen Bruder das erste Mal getroffen haben, hatten Sie da Angst vor ihm?“
    „Beim ersten Mal?“ Suzanne lachte kalt. „Ich fürchte mich immer noch vor ihm.“
    „Nun, so ist er schon immer gewesen. Als Junge auf dem Internat … Ich weiß nicht, ich habe immer nur Bruchstücke der Geschichte gehört. Die englischen Internate waren damals berüchtigt. Die älteren Jungen, Vertrauensschüler oder wie auch immer man sie nannte, benutzten die Jüngeren.“
    Die Art, wie Elizabeth das Wort benutzten betonte, ließ keinen Zweifel an seiner Bedeutung.
    „Was ist passiert?“
    „Einer dieser Vertrauensschüler hat offenbar den Fehler begangen, ein gesteigertes Interesse an meinem Bruder zu entwickeln, als der gerade einmal zehn Jahre alt war. Er schlief in seinem Bett im Schlafsaal, als der ältere Junge sich an ihn heranmachte. Doch mein Bruder hat ihn erwartet – er hat einen leichten Schlaf. Der andere Junge verbrachte sechs Wochen im Krankenhaus, bevor er an einer Infektion starb, die durch seine Verletzungen verursacht worden war.“Suzanne keuchte und ließ beinahe den Setzling fallen.
    „Father Stearns hat einen Jungen umgebracht?“
    „Jungen? Ja, ich schätze schon. Der andere war fünfzehn. Und hatte den Ruf, der Schlimmste von allen Tätern des Internats zu sein. Die Schule wusste das. Gegen meinen Bruder ist niemals Anklage erhoben worden. Sie haben alles unter den Teppich gekehrt und ihn zu uns zurückgeschickt.“
    Suzanne ging ein paar Schritte weg von dem Tisch, von der dunklen Erde, den zarten Setzlingen. Father Stearns hatte als zehnjähriger Junge an seiner Schule einen Fünfzehnjährigen so heftig geschlagen, dass der später an seinen Verletzungen starb …
    „Ich erinnere mich daran, meinen Vater belauscht zu haben, als er meiner Mutter die Geschichte erzählte. Das Monster war stolz auf meinen Bruder. Zehn Jahre alt und schon schlägt er einen fünf Jahre älteren und fünfzig Pfund schwereren Jungen ins Koma. Stolz. Mein Vater, der Vergewaltiger, stolz auf seinen Sohn, weil der einen Pädophilen getötet hatte. Oh, welch Ironie! Ich erzähle Ihnen mehr, wenn Sie versprechen, damit umgehen zu können. Und wenn Sie versprechen, dass es unter uns bleibt. Ich habe zwei Söhne. Deshalb will ich nicht, dass dieser Albtraum auch noch auf die nächste Generation übergreift.“
    Suzanne drehte sich um und bereute es sofort.
    „Es gibt noch mehr?“
    Elizabeth reckte trotzig das Kinn, als wollte sie Suzanne auffordern, sie aufzuhalten – oder zu gehen. Und das hätte sie getan … hätte sie tun müssen. Doch sie konnte nicht.
    „Erzählen Sie es mir“, sagte sie stattdessen.
    Elizabeth nahm die Gießkanne, füllte sie mit Wasser und begann ihre Runde durch das Gewächshaus.
    „Ich versteckte mich außerhalb des Büros meines Vaters, als ich hörte, wie er meiner Mutter die Geschichte erzählte. Die Geschichte von meinem Bruder mit dem leichten Schlaf, meinem Bruder, der beinahe mit bloßen Händen einen Jungen getötet hatte. Und dann kam Søren nach Hause. Ich hatte ihn zwei Jahre nicht gesehen.“
    „Wie war das, ihn nach so langer Zeit wiederzusehen?“
    „Seltsam. Komisch. Er kam mir überhaupt nicht wie mein Bruder vor. Er war erst elf, ein Jahr jünger als ich, aber er wirkte so viel älter. Selbst damals war er schon so ein wunderschöner Bastard gewesen. Und so still, unnahbar. Er hat mir furchtbare

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