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Gesetze der Lust

Gesetze der Lust

Titel: Gesetze der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Reisz
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Angst gemacht. Ich dachte, er könnte mich genauso umbringen wie den Jungen. Ehrlich gesagt …“ Elizabeth hielt inne, um Luft zu holen, „… hatte ich gehofft, er würde es tun.“
    Die Augusthitze in dem Gewächshaus war so drückend, dass Suzanne fürchtete, ohnmächtig zu werden. Aber als Elizabeth die letzten Worte sprach, liefen ihr kalte Schauer über den Rücken.
    „Was haben Sie getan?“ Irgendetwas sagte ihr, dass das die richtige Frage war. Nicht „Was ist passiert?“ oder „Was meinen Sie damit?“ Denn ganz offensichtlich hatte Elizabeth etwas getan.
    Elizabeth hob die Gießkanne und goss eine große weiße Rose.
    „Noch Tage, nachdem mein Bruder aus England zurückgekehrt war, gingen mir die Worte meines Vaters durch den Kopf … sein Sohn Marcus … leichter Schlaf … hat beinahe einen Jungen getötet, der ihn berühren wollte …“
    Suzannes Magen sackte ihr in die Knie.
    „Ich …“ Zum ersten Mal versagte Elizabeth’ Stimme. „Mutter und Vater waren auf irgendeiner Geschäftsreise. Ich ging nachts in das Zimmer meines Bruders. Er schlief. Ich zog die Bettdecke weg …“
    Suzanne sah, wie Elizabeth’ Augen ausdruckslos und leer wurden, als hätte ihr Geist die Gegenwart verlassen und wäre in die Vergangenheit gereist.
    „Wunderschöner Bastard“, sagte Elizabeth noch einmal. „Ich denke, das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich von jemandem angezogen fühlte. Ich konnte nicht anders, ich musste sein Gesicht berühren. Sie haben ihn ja kennengelernt. Sie müssen wissen, wie es ist, in seiner Nähe zu sein, sich zu ihm hingezogen zu fühlen …“
    „Was haben Sie getan?“, wiederholte Suzanne ihre Frage.
    Elizabeth seufzte beinahe sehnsüchtig. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme hohl und wie aus weiter Ferne. Die Sonne ging langsam unter, und dunkle Schatten krochen ins Gewächshaus.
    „Ich frage mich …“ Elizabeth hielt inne. „Ich frage mich, wie es für meinen Bruder war, aufzuwachen und sich in seiner eigenen Schwester wiederzufinden.“
    „Oh Gott.“ Die Worte platzten einfach aus Suzanne raus. Sie drückte beide Hände gegen den Magen, um nicht umzufallen.
    „Ich habe gewartet …“, fuhr Elizabeth fort. „Ich dachte, jede Minute würde er anfangen, mich zu schlagen, mich töten, so wie er es mit dem Jungen in seiner Schule gemacht hatte. Aber das ist nicht geschehen.“
    Eine Welle der Übelkeit packte Suzanne. Sie klammerte sich am Tisch fest und atmete durch die Nase, betete dafür, dass die Übelkeit nachlassen würde. Father Stearns … elf Jahre alt … vergewaltigt von seiner eigenen Schwester.
    „Ich wollte, dass er mich genauso tötete, wie er es mit dem Jungen in England gemacht hatte. Deshalb ist es in der ersten Nacht passiert.“
    Suzanne richtete sich auf.
    „Der ersten Nacht? Es ist noch öfter passiert?“
    Elizabeth nickte langsam. „Ich sagte Ihnen doch, Mutter und Vater waren nicht da. Wir hatten das Haus für uns allein. Keine Aufpasser. Wir waren beide so schwer geschädigt, wir realisierten nicht einmal, dass das, was wir taten, falsch war.“
    Irgendetwas in Elizabeth verriet Suzanne, dass sie noch nicht einmal ansatzweise am Ende der grausamen Geschichte angekommen waren. Sie wollte einfach nur den Kopf zur Seite drehen und sich übergeben, bis jedes grauenhafte Bild – der Körper des Jungen, der im Schlaf reagierte, der verzweifelte Versuch der Schwester, im Tod ihren Frieden zu finden, die Erkenntnis, dass sie zu weit gegangen waren, um noch umkehren zu können – aus ihrem Gedächtnis herausgelöscht war. Aber Suzannewusste, dass sich Elizabeth’ Worte für immer in ihr Gehirn eingebrannt hatten.
    Sie konnte nicht zurück. Sie musste weitermachen.
    „Was ist dann passiert?“ Suzanne musste es wissen, ob sie nun wollte oder nicht. „Wie endete es?“
    „Durch unseren Vater, natürlich. Er war mit Mutter einen Monat auf Geschäftsreise in Europa. Ich glaube, er hatte mich mitnehmen wollen, aber Mutter … ihr ist wohl sein gesteigertes Interesse an mir aufgefallen. Sie hat darauf bestanden, dass sie nur zu zweit fahren. Zweite Flitterwochen, sozusagen. In der Zwischenzeit haben mein Bruder und ich uns so verkommenen Spielchen hingegeben, dass ich mich gar nicht mehr daran erinnern kann, an ihnen teilgenommen zu haben. Ich sehe sie …“ Elizabeth schloss die Augen und hob ihre Hand, „… irgendwo da draußen. Als wenn jemand anderes sie begangen hätte und ich nur zugeschaut habe. Sie sollten wissen, dass

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