Gesetze der Lust
Butler“, sagte sie und lächelte Suzanne an.
„Er hat allerdings gute Lungen. Vielleicht kann er Stadionsprecher werden.“
„Ja, vielleicht. Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Frau.
Suzanne atmete schwer aus und suchte nach den richtigen Worten. Sie beschloss, sich einfach an die Wahrheit zu halten und zu sehen, wie weit sie damit kam.
„Ich heiße Suzanne Kanter. Ich bin Reporterin und recherchiere gerade über Ihren Bruder. Wären Sie bereit, mir ein paar Fragen zu beantworten?“
Sørens Schwester klammerte sich fester an das Geschirrtuch. Nach Suzannes Informationen war Elizabeth erst achtundvierzig, und obwohl ihr Gesicht viel jünger aussah, machten ihre faltigen Hände sie um Jahre älter, als sie wirklich war.
„Folgen Sie mir zum Gewächshaus“, sagte Elizabeth schließlich. „Die Jungen kommen nie dorthin, deshalb werden wir ein wenig Ruhe zum Reden haben.“
Im Gewächshaus angekommen, nahm Elizabeth zwei Schippen in die Hand und reichte eine davon Suzanne. Gemeinsampflanzten sie winzige Setzlinge in Tontöpfe ein.
„Sie recherchieren über meinen Bruder?“, fragte Elizabeth dann. „Will ich überhaupt wissen, warum?“
„Er ist als Nachfolger des Bischofs seiner Diözese vorgeschlagen worden und damit der jüngste Priester auf der kurzen Liste – zehn Jahre jünger als der nächste.“
Elizabeth schnaubte nur und stieß ihre Schaufel in die schwarze Erde.
„Ich habe einen anonymen Tipp erhalten“, fuhr Suzanne fort. „Eine Liste der Namen der Priester, die in der engeren Auswahl sind. Neben seinem Namen war ein Sternchen und der Hinweis, dass es einen möglichen Interessenkonflikt geben könnte. Ich weiß, das ist nicht viel, aber ich habe das Gefühl, dass er etwas zu verbergen hat. Vielleicht sogar etwas Gefährliches.“
„Mein Bruder hat viele Geheimnisse. Er hat sogar Geheimnisse, von denen er selber vermutlich nicht einmal weiß.“ Elizabeth nahm einen Setzling, zupfte ein paar Blätter von ihm ab und steckte ihn in das Loch in der Erde. „Warum glauben Sie, dass ich sie kenne?“
„Kingsley Edge … er hat mir gesagt, ich solle Sie fragen, wenn ich mehr über Father Stearns wissen will. Ich dachte daran, mit Claire zu sprechen – sie scheint mir eine sehr interessante Persönlichkeit zu sein.“
Elizabeth verdrehte die Augen. „Aus ihr werden Sie nichts herausbekommen. Sie liebt unseren Bruder. Schon immer. Er ist der Größte für sie. Wenn sie sich Gott vorstellt, sieht er aus wie unser Bruder.“
„Das klingt … ungesund.“
„Nein, nicht ungesund. Nur übertrieben. Sie ist nicht mit ihm zusammen aufgewachsen, so wie ich. Ich sage nicht, dass er ein schlechter Mensch ist. Er ist ihrer Verehrung beinahe so würdig, wie sie glaubt.“
„Aber nur beinahe?“, hakte Suzanne nach.
Elizabeth seufzte und legte ihre Schaufel beiseite.
„Ms Kanter …“
„Sie können mich ruhig Suzanne nennen.“
„Suzanne … wenn Sie mir sagen, dass Sie Nachforschungen über meinen Bruder, einen katholischen Priester, anstellen, muss ich annehmen, dass Sie nach Anzeichen für sexuellen Missbrauch suchen, richtig?“
Suzanne zögerte nicht. „Ja. Das ist wirklich das Einzige, was mir Sorgen macht.“
„Ist wohl etwas Persönliches?“
Suzanne öffnete den Mund, schloss ihn aber erst einmal wieder, ohne etwas zu sagen.
„Ja. Mein Bruder war ein Opfer. Er hat sich vor ein paar Jahren umgebracht. Ich glaube, deshalb hat der anonyme Informant mich ausgewählt. Er wusste, dass ich nicht aufgeben werde, bis ich die Wahrheit gefunden habe.“
„Oh Gott, die Wahrheit. Es gibt nichts Irreführenderes! Die Wahrheit, Ms Kanter – Suzanne – ist, dass ich meinen Bruder kenne. Ich weiß, wer er ist. Ich weiß, was er ist. Und ich habe ihm vor Jahren schon gesagt, sollte er je in die Fußstapfen unseres Vaters treten, sollte er jemals einem Kind Leid zufügen, sollte er jemals jemanden in seiner Gemeinde ausnutzen … dann würde ich dafür sorgen, dass ihn das gleiche Schicksal wie unseren Vater ereilt. Und ich würde nicht eine Sekunde Schlaf darüber verlieren.“
Elizabeth nahm die Schaufel wieder in die Hand und stach fester in die Erde, als notwendig gewesen wäre.
Suzanne schaute sie mit großen Augen an und konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Hatte Elizabeth Stearns tatsächlich gerade zugegeben, ihren Vater ermordet zu haben? Nein … bestimmt nicht. Sie musste es anders gemeint haben. Suzanne musste schlucken, während sie einen weiteren
Weitere Kostenlose Bücher