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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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geradezu wonniglichen Gefühl im Herzen schritt er heiter und beschwingt seiner Heimstatt zu. Hatten da vielleicht auch schon wieder seine Luftgeister ihre Hand im Spiel gehabt? Es war vertrackt, er konnte fast nichts mehr erleben, ohne ihren eventuellen Einfluss zu wittern – Zeit dafür, dass er mehr erfuhr, um besser unterscheiden zu können, wo sie einwirkten und wo nicht. Er war sich da wirklich noch nicht sicher genug.
    In dieser heiteren, ja geradezu fröhlichen Stimmung betrat er sein Haus und griff sich erneut die vergilbte Kladde aus dem Regal, zündete die Lampe an, angelte nach der Ginflasche und vertiefte sich in die Lebensbeichte seines Ahnherrn, tauchte ein in die geheimnisvolle Anderswelt und schien plötzlich der Zeit enthoben.
    „Da war eines dieser immer wieder in meinen Träumen auftauchenden nächtlichen Gesichte“, so schrieb Andrew O’Donohogue weiter, „das mich besonders erregte. Alles, was ich da sah, muss sich in grauer Vorzeit abgespielt haben. Zunächst begann es damit, dass ich mich mit einigen in Fell gehüllten Genossen und ihren Frauensleuten auf einem ganz primitiven, kleinen Kahn befand, der eigentlich nur ein ausgehöhlter Baumstamm war. Wir hatten außer einfachen Ruderblättern ein aus Tierhäuten zusammengeflicktes Segel hochgezogen und drifteten mit dem Wind über die See. Bei Sturm und größeren Wellen wären wir wahrscheinlich unweigerlich gekentert. Zu unserem großen Glück war das Wasser an jenem Tag bemerkenswert ruhig.
    So weit hatte sich bislang noch keiner unserer Männer rausgewagt. Auch bekamen wir alle eine furchtbare Angst, unser Boot könne von einem Seeungeheuer verschlungen werden. Einer meiner Stammesgenossen hatte so ein Monster bei einem seiner Fischzüge gesehen. Bleich vor Schrecken berichtete er nach seiner glücklichen Anlandung, es sei ein riesenhafter Fisch gewesen, der da plötzlich nicht weit vor seinem Boot auftauchte und eine Wasserfontäne in die Luft blies. Er habe es bis zu sich prusten gehört.
    Doch wir wussten, für uns gab es kein Zurück mehr. Wir waren auf der Flucht. Ein fremdes Volk mit gar fürchterlichen Waffen, die wir noch nie gesehen hatten, war in unser Gebiet eingefallen, hatte viele Männer und sogar Kinder getötet und einige unserer Frauen weggeschleppt. Die Hütten unserer kleinen Ansiedlung brannten lichterloh. Uns war es gelungen, uns mit zwei Booten in Sicherheit zu bringen und uns im Schilf eines kleinen Flusslaufs zu verstecken. Dort warteten wir die Nacht ab. Wir hörten die fremden Krieger johlen, die spitzen Schreie von Weiberleuten, die sie nackt vor sich hertrieben oder ins Strauchwerk zerrten. Dann mogelten wir uns im Schatten der Uferböschung bis hinaus auf die offene See. Da diese Teufel keine Schiffe besaßen, waren wir wenigstens da draußen vor ihnen in Sicherheit.
    Wir wussten, dass da noch weiter entfernt ein Land lag. Bei klarem Wetter konnte man es von den Höhen der Berge sehen. Das war nun unser Ziel und dort wollten wir eine neue Heimat finden. Wir flehten um den Schutz unserer Götter für das gewagte Vorhaben. Und sie standen uns bei. Wir erreichten diesen einsamen Felsblock in den Weiten des großen Wassers, den ich in meinem Traum unschwer als unsere heutige Insel erkennen konnte. Dieses Traumleben ging in immer neuen Fortsetzungen weiter. Wir begannen damit, aus Steinen und angeschwemmtem Holz einfache Hütten zu errichten. Und da wir bald merkten, dass hier meist starke Winde bliesen, standen unsere ersten Behausungen in windgeschützten Senken oder im Windschatten von Hügeln.
    Es war ein karges Leben und wir ernährten uns fast ausschließlich von den Früchten des Meeres. Später waren einige beherzte Männer nachts aufs Festland zurückgekehrt und hatten von den Feldern der neuen kriegerischen Siedler Samen und Rübenpflanzen gestohlen und hierher gebracht. Auch schleppten unsere Leute einmal ein paar Schafe und sogar Hühner an. Die Tiere waren von der Überfahrt völlig durcheinander und es brauchte Tage, bis sie sich an die neue Umgebung gewöhnt hatten.
    Unter den Geretteten befand sich auch unser Medizinmann, zugleich unser mächtiger Priester, der nach allerlei Beschwörungen mit den Göttern sprechen konnte und deswegen auch als unser Häuptling fungierte. Und es war eine Frau mit gekommen, die für ihre Heil- und Zauberkünste bekannt war, eine rothaarige Hexe mit einer Warze auf dem Kinn, aber sonst mit einem sehr wohl geformten Körper und zwei mächtigen, stolzen Brüsten. Wir

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