Gesichter im Nebel (German Edition)
so, wie es ist.“
„Das darfst du auch sein. Er passt jedenfalls gut zu dir. Du siehst wirklich aus, wie einem keltischen Fürstenhaus entsprossen. Da könnte unsereiner direkt neidisch werden. Ja gewiss, ich habe mal solche Gemälde – ich glaube aus der Jugendstilzeit – gesehen und sie haben mich tief beeindruckt.“
Cathleen lächelte dabei offen und gewinnend.
„Aber setz’ dich doch. Ich koche uns eine Tasse guten Tee.“
„Au fein, das Angebot nehme ich gerne an. Ich bin nämlich schon seit heute Morgen unterwegs und habe noch gar nichts zu mir genommen. Jetzt merke ich das auch. Im Übrigen haben mich deine zwei reizenden Töchterlein da unten am Strand aufgelesen. Sie meinten erst, ich sei eine Meerjungfrau.“
„Ach, die beiden Rangen, die hatten schon immer eine blühende Fantasie!“
„Die kann jemand auf dieser Insel auch bekommen. Ich stelle mir das sogar richtig gruselig vor, wenn im Winter die Stürme um die Häuser heulen oder dichter Nebel einfällt, wie ich das an den Cliffs of Moher schon erlebt habe.“
„Du hast recht. Da bleibe auch ich lieber zuhause am warmen Kamin.“
Mit solchen und ähnlichen Plaudereien verging eine weitere Stunde, Brighid bezahlte die Tasche und war hoch erfreut, dass ihr der Ledermann offensichtlich nur denselben Preis abnahm, wie er ihn seinen Vertragshändlern berechnete. Jedenfalls war die Tasche sehr viel preiswerter, als sie für Vergleichbares in der Hauptstadt bezahlt hätte.
Dann wurde es Zeit zum Aufbruch. Die beiden Mädchen begleiteten „ihre Meerfrau“ noch ein Stück des Wegs, dann verabschiedeten sie sich. Sie sollten vor Einbruch der Dunkelheit wieder zuhause sein, hatte ihnen Cathleen eingeschärft.
Als sie außer Hörweite der fremden Besucherin waren, flüstert Caroline ihrer Schwester ins Ohr: „Und ich glaube trotzdem, dass sie aus dem Meer kommt! Hast du ihre Augen gesehen? Die sind so grün wie tiefes Wasser! Nein, die können uns alle nichts vormachen, es gibt sie doch, diese Nixen und Elfen und manchmal nehmen sie Menschengestalt an und verstellen sich nur, damit es keiner merkt.“
Und die kleine Schwester nickte ganz ernsthaft.
Für die verkappte Meerjungfer jedenfalls war es ein gelungener Ausflug und ein schöner Tag gewesen und das stimmte sie heiter. Das neu erworbene Schmuckstück unter den Arm geklemmt schritt sie mit weit ausholenden Schritten den Weg zum Nordhafen und zur Herberge zurück. Brighid hatte das Gefühl, neue Freunde gewonnen zu haben.
Ihre blendende Stimmung wurde jedoch alsbald getrübt. Kaum hat sie das Gebäude betreten und ihre Freunde begrüßt, da scharwenzelte schon wieder Jean-Pierre um sie herum. Er mochte ja ein guter und gebildeter Unterhalter sein, aber das hier war entschieden zu viel. Was bildete der Bursche sich eigentlich ein? Er hatte schließlich kein Monopol auf sie.
Ob diese Franzosen wohl alle so aufdringlich waren? Die anderen allerdings machten nicht den Eindruck. Sie hatten ohnehin ihre Freundinnen dabei, nur der Professorensohn war ohne Begleiterin angereist.
Inzwischen begann sich von Westen her der Himmel zu beziehen. Diesen Abend wurde es wohl nichts mit einem dramatischen Sonnenuntergang. Brighid löffelte schnell etwas aus der Dose, dann machte sie sich wieder auf den Weg. Ihr Ziel war das nur wenige hundert Meter entfernte Haus des Postmasters. Zum Glück war von Jean-Pierre jetzt nichts zu sehen. Sie wollte ihren Vater anrufen, ihm vom Fortgang ihres Urlaubs erzählen und fragen, wie es ihm ging. Ihre Freunde begleiteten sie bis zu dem Abzweig, der zu der Telefongelegenheit führte, dann strebten sie weiter auf einen Schlummertrunk bei „Cotter’s“ zu. Brighid wollte später nachkommen.
Es wurde ein langes Telefongespräch. Und sie sah sich in ihrer Vermutung bestätigt: Ihr Herr Vater schien sich wieder an seinen abendlichen Night Cup zu gewöhnen. Wenn es ihm gut tat und er es nicht übertrieb, hatte sie nichts dagegen. Als sie sich endlich auf den Weg zur Hafenkneipe machte, fielen bereits die ersten Schleier der Abenddämmerung über die Insel.
Plötzlich trat Jean-Pierre aus dem Schutz eines Ginsterbusches. Brighid erschrak mächtig. Dann erkannte sie ihn und reagierte sichtlich verärgert.
„Mein Gott, hast du mich erschreckt! Mach’ das nicht nochmal, hörst du!“
Die unfreundliche Ansprache ärgerte ihn. Eine bislang nie von ihr gesehene Röte flammte ihm ins Gesicht.
„Hör mal“, zischelte er, „ich merke, dass du mir plötzlich
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