Gesichter im Nebel (German Edition)
Besucher finden am Nordhafen neuerdings einen Imbiss, einen Kaufladen und einen Andenkenshop.
Der Zauber des Eilands hat sich inzwischen weit herumgesprochen, mehr und mehr Ruhe suchende Urlauber treffen ein. Zudem wird auch Kulturelles angeboten, wie etwa die Caper Vorlesetage in der dunklen Zeit des Jahres, bei denen allerlei Barden ihre Werke vortragen.
Einige Bewohner besitzen sogar schon ein klappriges Auto, das natürlich der ewigen Salzluft und den Winter-stürmen ausgesetzt noch schneller rostet. Der Benzingestank weht zuweilen unangenehm und unpassend über die schmalen und so gar nicht für den Kraftverkehr ausgelegten Wege. Doch bald trägt ihn der frische Seewind davon.
„Cotter’s“ wurde der neuen Zeit etwas angepasst und bietet jetzt sogar Essen an. Aber noch treffen sich dort allabendlich wie eh und je ein paar Haudegen auf ihren Schlummertrunk.
Die Pläne vom Königreich wurden sang- und klanglos begraben. Irgendwie war doch ein Gerücht bis in Regierungskreise vorgedrungen. Daraufhin erhöhten sich flugs die Zuwendungen für die beiden Inseln Cape und Sherkin. Den ansonsten genügsamen Insulanern reichte das. Und falls einmal nicht, gab es schließlich noch das florierende Geschäft mit dem Holländer.
Von dem blinden Xirian wird nur wenig gesprochen. Sein schrecklicher Tod war von niemandem verstanden und auf geistige Verwirrung zurückgeführt worden. Nur Paddy weiß um die Selbstaufgabe des Alten und um den uralten Fluch der Hexerin. Und auch das ist gut so. Er würde das Geheimnis voller Ehrfurcht bis ins Grab bewahren. Nun war er es, der abends bei Gin seine Erinnerungen festhielt. Für wen? Die Zeit würde es zeigen.
An den vergrabenen Schatz des Piraten Schwerthand wagt er sich noch immer nicht. Vielleicht würde er ihn eines Tages der Kirche vermachen. Auf so etwas unter Blut und Tränen, mit Mord und Diebstahl Zusammengerafftes ruht kein Segen, sagt er sich immer wieder, wenn er begehrliche Gedanken bekommt, wenn er kurz von einem besseren Leben träumt.
Und Jean-Pierre? Er hat eine böse Karriere absolviert. Wegen einer brutalen Vergewaltigung im Urlaubsgebiet der Côte d’Azur und schwerer Körperverletzung wurde er zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Später landete er in der Psychiatrie. Es waren – falsche Erziehung hin und her – letztlich doch die die Schatten, die seine Seele nicht mehr losgelassen und ihn schon auf der Insel in diese verhängnisvolle, unbeherrschte Entwicklung getrieben hatten.
So vergehen die Tage. Die Brandung rauscht ungerührt an die felsige Küste, der Lichtfinger des gischtübersprühten Leuchtturms Fastnet Rock geistert des Nachts über die Hügel. Das gleichmäßige Rauschen des Meeres, es ist wie immer ein für die Nerven beruhigendes Geräusch, das zugleich so etwas wie Zeitlosigkeit vermittelt.
Die herbstlichen und winterlichen Nebel hüllen die Klippen wie eh und je ein und die großen Stürme toben unvermindert in den Zeiten des Herbstes und des Frühjahrs um das Kleinod; in jüngster Zeit sogar immer heftiger. Doch die Trutzburg aus Fels, der Rastplatz so vieler Seevögel, sie wird auch in einem neuen Zeitalter in der Brandung eines wilden Weltmeeres bestehen.
-Ende-
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