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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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und ächzte dabei wie nichts Gutes.
    Niemand hätte mir in diesem Zustand eine Flucht zugetraut. War ich indes alleine, so machte ich allerlei Übungen, um meine Muskeln zu stählen, die alte kämpferische Kraft wieder zu gewinnen.
    Hilfe von außen hatte ich mit Sicherheit nicht zu erwarten. Da gab ich mich keinerlei Illusionen hin. Mir drohten ohne großes Vertun der Strick oder das Henkerbeil, zu schwer wogen meine Vergehen, ich war schließlich einer der Haupträdelsführer und die Engländer sannen nur darauf, ein abschreckendes Exempel zu statuieren. Vermutlich würden sie meinen Kopf auf eine Stange stecken und irgendwo an einem Hafen aufstellen, wie sie es bereits, so wusste ich vom Hörensagen, an der Themse praktiziert hatten. Wahrlich trübe Aussichten, die sich mir da boten. Meine Kameraden waren in den Kämpfen offensichtlich fast alle getötet worden, der Rest schmachtete irgendwo im Kerker.
    Nein, es musste etwas geschehen und das aus eigener Kraft. So übte ich heimlich weiter und wartete nur auf einen günstigen Augenblick.“

Der Traum
    Jean-Pierre ließ sich in der Jugendherberge nicht wieder blicken. Er war mit seinen Freunden nun doch in die Vogelstation am Nordhafen umgezogen. Ging er zu seinen gefiederten Freunden an den Felsen, schlich er sich möglichst ungesehen zu den Südhängen. Er mochte niemandem begegnen, konnte es natürlich nicht immer vermeiden und hatte dabei stets das Gefühl, dass ihn die Leute finster und feindlich anstarrten. Dabei hatte Paddy bislang über die unerfreuliche Episode geschwiegen, um so auch Brighid vor dem Gerede der Leute zu schützen.
    Doch wer etwa glauben sollte, diese Zurückhaltung legte der Franzose aus Scham über seine Tat an den Tag, der hätte sich gründlich getäuscht. Im Gegenteil, es kochte in ihm vor Wut über diesen vermaledeiten Iren, der ihn so unsanft von seinem Opfer vertrieben hatte.
    Jedes Mal, wenn er in den Spiegel blickte, grinste ihm sein ramponiertes Gesicht entgegen. Das eine Auge war blutunterlaufen, das andere fast zugeschwollen. Sein Schienbein zierte ein mächtiger und schmerzlicher Bluterguss und sein Kinn tat bei jeder Kaubewegung höllisch weh. Die Unterlippe war zudem noch immer aufgeplatzt, ja sogar die Zunge geschwollen. Wie ein Stück Wellpappe fühlte sie sich an und er konnte kaum den Unterschied zwischen einem Apfel und einer Kartoffel schmecken.
    Nein, diesem Tölpel wollte er es heimzahlen. Er wusste nur noch nicht, wie. Und auch mit dieser blonden Schlampe war er noch nicht fertig. Was fiel der überhaupt ein, ihn abzuweisen – ihn, den Beau, den Unwiderstehlichen, der noch immer erreicht hatte, was er wollte.
    Ganz allmählich schlug seine Begierde in eine bösartige Hassliebe um. Zum Teufel aber auch, so einfach wollte er sich nicht abspeisen lassen. Und einen Bogen um das „Irenpack“ aus Dublin machte er nur, weil er ihren Spott fürchtete und seine gekränkte Ehre darunter litt.
    Er sann auf Vergeltung und sein Gesicht verfinsterte sich jedes Mal, wenn er an seine schmähliche Niederlage dachte. Er steigerte sich immer mehr in diesen Zustand krankhafter Rachegelüste hinein, malte sich aus, wie er dieses blonde Miststück gewaltsam unterwerfen, bis sie um Gnade winseln und er als der starke Sieger unauslöschlich in ihre Fantasien eingehen würde. War es nicht schon immer so, dass das Weiberpack an den glorreichen Sieger fiel, ja sogar mit fliegenden Röcken dem strahlenden Helden nur so entgegenstürmte? Die Geschichte jedenfalls, so wie er sie interpretierte, war voll von solchen Episoden.
    Manchmal erblickte er den Fischer Paddy am Hafen. Dann wartete er im Schutz der Vogelstation, bis die Luft wieder rein war. Einmal konnte er es nicht vermeiden, dem Widersacher zu begegnen und prompt drohte dieser wortlos mit der Faust. Ein Jammer, dass diese Begegnung nicht in der Pariser Metro stattfand, er hätte das Arschloch ohne Wimpernzucken vor die einfahrende U-Bahn geschubst. Und er malte sich in seinen nächtlichen Fantasien diese Szene geradezu genießerisch aus.
    „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“, dachte der Franzose bei solchen unfreiwilligen Begegnungen und lächelte beinahe spöttisch und mit bösen Hintergedanken zurück. Er wollte diesem Einfaltspinsel schon noch zeigen, wo es lang ging auf diesem gottverdammten Globus. Ja, gewiss würde er das tun, selbst wenn es den anderen Kopf und Kragen kostete. Mit einem geradezu teuflischen Gesichtsausdruck grinste er in sich hinein und rieb sich in

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