Gesichter im Nebel (German Edition)
was für andere da. Ihr seid herzlich eingeladen. Aber setzt euch doch erstmal, Neil hört auch gleich auf mit seiner Arbeit, ich glaube, ihm knurrt schon der Magen.“
„Darauf kannst du dich verlassen, ich habe noch nicht mal gefrühstückt“, brummelte dieser zurück, „und ganz mit leerem Magen arbeitet sich nicht gut, auch wenn die Leute sagen, ein voller Bauch studiert nicht gern. Bei mir jedenfalls ist das eher umgekehrt!“
Inzwischen waren die beiden Geschwister eingetroffen; der Junge war noch in der Schule, tauchte aber auch bald auf und schmetterte seine Schultasche in eine Ecke. Dann verschwand er erst einmal in den Garten, er musste noch die Hasen füttern, eine seiner täglichen Aufgaben im Haushalt der Familie.
Schließlich versammelten sich alle um den inzwischen freigeräumten Bohlentisch und fassten sich an den Händen, bevor sie sich setzen.
„Gesegnete Mahlzeit“, sagte Neil feierlich und brach den Brotlaib mit den Händen in mehrere Teile. „Gott segne unser täglich Brot.“ Er war ein frommer Mann und nach dem Mahl würde er fein säuberlich wie immer die Krumen zusammenkratzen und aufessen. „Brot ist eine Gottesgabe und man darf damit nicht leichtfertig umgehen“, meinte er manchmal ermahnend und mit großem Ernst in die Runde seiner Familie.
An diesem Abend war es wieder soweit. Der Siebener-Rat traf sich zum zweiten Mal, um den großen Plan des kleinen Königreichs „Oiléan Ciarán“ weiter zu besprechen. Natürlich hatte Paddy deswegen das verlockende Angebot seiner heimlich verehrten Flamme nicht annehmen können.
Auch diesmal trafen die Teilnehmer zu nächtlicher Stunde und höchst geheim im Haus des Ledermachers ein. Sie waren gespannt, was dieser inzwischen ausbaldowern konnte.
Wie beim letzten Mal hatte sich ein leichter Nebel gebildet, dafür spendete aber der Mond, der bleich wie hinter Milchglas durch den Dunst schimmerte, genug Licht für die Räte auf ihrem Weg zur mitternächtlichen Sitzung.
Cathleen hatte wieder frischen Tee aufgebrüht. Die Männer quittierten es mit sichtlicher Freude.
Als alle versammelt waren, begann der Ledermacher mit seinem Vortrag.
„Ich habe Kontakt zu Anthony Quinton aufgenommen, einem alten Schulfreund. Er ist Feuer und Flamme für unser Projekt. Er hat jahrelang in einer Bank auf den englischen Kanalinseln gearbeitet. Niemand könnte besser den Aufbau des Finanzsektors und die Formulierung der Verfassung betreuen. Außerdem hat er exzellente Kontakte zur internationalen Finanzwelt sowie zu der entsprechenden, wohlhabenden Kundschaft. Und er kann – was wir dringend brauchen – die Offshore-Gesetze und die Firmenkonstruktionen, wie etwa die einer „Incorporated“ oder eines „Trusts“, ausarbeiten. Nur so können wir den Reichen rechtliche Sicherheit garantieren, nur so werden sie uns vertrauen. Geld ist wie Wasser, es fließt immer den einfachsten Weg zum großen Sammelbecken. Und es ist sehr empfindlich. Eine einzige Indiskretion und das Flussbett ist für immer verstopft“, erklärte er mit wichtiger Miene. „Versteht ihr, was ich meine?“
Bei diesen Fachbegriffen legten die Räte die Ohren an. Mit so etwas hatten sie sich ihr Leben lang nicht beschäftigt, mein Gott aber auch. Das klang ja wie eine Wissenschaft für sich. Es war schon viel an Modernität, dass einige überhaupt ein Konto in Skibereen besaßen, wie zum Beispiel Nathaniel O’Driscoll.
Und Neil, der natürlich mit dieser Unwissenheit seiner Genossen gerechnet hatte, beruhigte sogleich:
„Keine Bange, Leute, ich werde euch das alles bei einer der nächsten Zusammenkünfte genauestens erklären. Wichtig ist ohnehin nur, dass ihr das System begreift und wir die künftigen Rollen verteilen können“.
„Ja, aber“, warf der Lobsterking voller Skepsis ein, „wir haben ja nicht einmal eine Bank und auch keine Tresore, um das viele Geld sicher aufzuheben. Da wird es doch gleich von Spitzbuben nur so wimmeln, die an den Zaster ranwollen!“
„Das ist ja gerade der Witz“, beschwichtigte Neil, „das Geld kommt erst gar nicht hierher, es liegt bei großen Banken im Ausland.“
„Aber wenn wir keine Knete bekommen, dann macht das Ganze doch gar keinen Sinn!“ Lobster ließ nicht locker.
„Also hört her“, ereiferte sich der Ledermacher, „wir werden nur die entsprechenden Firmen hier eintragen, sind also gewissermaßen der offizielle Unternehmenssitz. Und dafür kassieren wir die Eintragungskosten und ein jährliches fee für Verwaltung
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