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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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Südhafen ist eine Falle.’ Er hatte doch tatsächlich Tränen in den Augen, ob vor Schmerz, Trauer oder vor Wut vermochte ich nicht zu sagen.
    Wie recht Schwerthand hatte, sahen wir kurze Zeit später. Von Westen her kreuzten zwei schwer bestückte, englische Fregatten auf. Die Schiffe hatten sich im Sichtschutz des Fastnet Rock verborgen gehalten, unsere Einfahrt in die Lagune abgewartet und wollten diese von See her abriegeln, um uns alle in ihre protestantischen Finger zu bekommen. Schöne Bescherung! Lediglich unser unverhofftes Auslaufen hatte den Plan vereitelt.
    Nun musste es also zwangsläufig zu einem Seegefecht kommen. Freiwillig hätten wir sicher nicht die Flagge gestrichen.
    Es wurde ein schreckliches Gemetzel.
    Die britischen Hunde feuerten aus allen Rohren. Zwar gelang es unseren kampfgewohnten Männern, eine der Fregatten durch Beschuss mit Kettenkugeln fast zu entmasten. Doch die andere scherte derweil längsseits, ihre Enternetze flogen an Deck. Die beiden Schiffe waren nun aneinandergekettet und es begann ein mörderischer Kampf Mann gegen Mann. Es roch nach Pulverdampf und wie in einem Schlachthaus nach frischem Blut, die Luft war von wilden Kampfschreien oder dem Aufstöhnen Sterbender erfüllt, aus den Speigatten sprudelte bereits das Blut in die See.
    Während ich plötzlich durch eine verirrte Pistolenkugel verwundet wurde, sah ich noch, wie sich ein englischer Seesoldat an einem Tau wie ein Affe über unsere ‚Pride of the Seven Seas’ schwang, in der Hand ein mächtiges Enterbeil, und mit einem furchtbaren Schlag den Schädel von Schwerthand spaltete. Dann umfing mich eine wohltuende Ohnmacht.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einer notdürftigen Pritsche irgendwo an Land, vermutlich in Skibereen, sah englische Uniformen und es wurde mir klar, dass ich einer Gerichtssitzung und dem Galgen entgegensah. Meine Karriere als Korsar war zu Ende, mein Raubgut verloren, meine Träume von einem besseren Leben dahin, wie Schnee unter der Sonne geschmolzen.
    Damit endete dieser Teil meines Traumes und ich war fast schon begierig zu erfahren, wie es weiterging, was auf der Insel selbst geschah. Ich hoffte geradezu auf neue Gesichte, die mir diesen Teil des Rätsels lösten. Doch da musste ich noch einige Zeit warten, während der ich in andere Rollen schlüpfte und mehr und mehr über die Vergangenheit erfuhr.“
    Paddy legte die Kladde beiseite. Er schielte erneut um sich. Aber außer dem Brausen und Schrillen des Sturms sowie der Regentrommel auf dem Dach war nichts Verdächtiges zu hören oder zu sehen.
    Mein Gott, das war starker Tobak für einen Mann des 20. Jahrhunderts. Nur mühsam konnte er sich vorstellen, mit welcher Brutalität diese Menschen früher miteinander umgegangen waren, welch rechtlose Zustände in diesen Zeiten geherrscht hatten.
    Doch, eigentlich hatte sich, so musste er sofort enttäuscht denken, vielleicht gar nicht so viel geändert. Auch jetzt drangen bis auf seine einsame Insel immer wieder Nachrichten von Gräueln, die gerade irgendwo auf dem Globus passierten, sei es in Ulster, Afrika, in Vorderasien oder Südamerika. Er hatte lediglich Glück, dass er in diesem bislang ruhigen Teil der Welt lebte, auf einem scheinbar friedlichen Eiland, auf dem, seit er denken konnte, nicht ein einziges solch schreckliches Verbrechen verübt worden war.
    Nun aber schien sich dieser begnadete Zustand zu ändern. Die Attacke des verrückten Franzosen auf Brighid war wohl nur der Anfang, der Fluch der rothaarigen Hexenmeisterin aus grauer Vorzeit wurde vor diesem Hintergrund plötzlich allgegenwärtig. Ja, es war geradezu so, dass die Ankunft der neuen Besucher etwas ausgelöst hatte, von dem er noch nicht zu sagen wusste, was es war und warum es geschah. Aber es musste da einen Zusammenhang geben. Dessen war er sich gewiss. Und er schüttelte sich bei diesem Gedanken voller Unbehagen, weil er bereits ahnte, ja sogar zu wissen glaubte, dass auch er davon nicht ausgeschlossen sein würde.
    Dann las er weiter.
    „Ein paar Tage später begegnete mir dieses Traumgesicht erneut. In ihm sah ich mich langsam genesen. Natürlich sann ich sofort über die Chancen einer Flucht nach. Die englischen Bewacher waren nicht besonders aufmerksam, warteten anscheinend nur darauf, endlich dadurch abgelöst zu werden, dass ich dem Gericht vorgeführt und dem Henker ausgeliefert würde. Absichtlich stellte ich mich weiterhin schwer angeschlagen, kroch zu meiner Notdurft auf allen Vieren und stöhnte

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