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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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wir dann zu unseren Freunden in die Karibik und teilten mit ihnen die hohen Lösegelder. Aber, wie gesagt, das geschah recht selten.
    Nun passierte es eines Tages, dass wir einen prächtigen Dreimaster aufbrachten, der voll beladen mit Gütern aus der Neuen Welt südwestlich von Waterford in unsere Hände fiel. Wir machten ihn im Nebel durch einen Zufall aus. Die Seeleute dort hatten nicht einmal mehr Zeit, die Stückpforten für ihre Kanonen zu öffnen oder gar diese zu laden. Schon scherten wir längsseits und hatten sie geentert. Wir mussten einen ganzen Tag die Beute umladen, dann schlugen wir das Schiff leck und ließen es sinken.
    Gerade, als wir auf- und davonsegeln wollten, meldete unser Topgast, dass er eine junge Frau über Bord und ins Wasser habe springen sehen. Sie muss wohl irgendwie unserer Aufmerksamkeit entgangen sein und sich versteckt haben.
    Neugierig geworden ließ unser Kapitän wenden und wir fischten das Mädchen, das sich an Treibgut geklammert hatte, aus der See. Sonst hätte sie keine Chance gehabt, denn in diesen Breiten sterben die meisten Schiffbrüchigen rasch an Unterkühlung.
    Mit dieser Rettungsaktion begann die dramatische Geschichte von Daira O’Shea und eine wilde Liebesaffäre mit Schwerthand. Er, der an jedem Finger zehn Weibsbilder haben konnte, hatte sich auf den ersten Blick in diese irischstämmige Dame verliebt.
    Sie war in der Tat eine ungewöhnliche Schönheit mit einer geradezu überirdischen Ausstrahlung, eine wahre Göttin aus Fleisch und Blut, möchte ich sagen. Sie war hochgewachsen, von kräftiger Statur und hatte langes, rotgoldenes Haar, das sie in einem Zopf im Nacken zusammengefasst hatte. Er reichte ihr gut und gerne bis zu den Hüften. Löste sie die Pracht, so fiel die dichte Mähne wie ein Mantel bis zu den Fersen. Ein ganz besonderes Merkmal aber waren ihre smaragdgrünen Augen, mit einem unwiderstehlichen, klaren Blick. Kaum einer von uns Vagabunden der See konnte ihm standhalten. Sie hatte zudem herrliche Brüste, die das Blut eines Betrachters in Wallung bringen konnten. Um den Hals trug sie ein güldenes Medaillon mit einem grünen Edelstein in der Mitte. Und sie lachte glockenhell, wenn sie sich über etwas amüsierte. Es hieß, sie sei die uneheliche Tochter eines hohen Herrn in Boston, eines irischen Auswanderers aus einem Fischerort an der rauen Küste von Galway, und sollte in London eine vornehme Schule besuchen. Anscheinend hatte es der Vater verstanden, in der Neuen Welt sein Glück zu machen. Da musste natürlich für seine Tochter das Beste gerade gut genug sein. Doch er hatte nicht mit dem heißen Blut des Mädchens gerechnet, mit ihrer ererbten Wildheit und Abenteuerlust. Sie musste das wohl von Mutters Seite haben.
    Aus den hochfliegenden Plänen des Vaters wurde natürlich nun nichts mehr. Ich hatte im Gegenteil sogar ganz den Eindruck, dass Daira darüber gar nicht unglücklich war und das ungewöhnliche und erregende Abenteuer genoss. Sie erinnerte mich an Sagen aus der keltischen Geschichte mit deren wilden und kämpferischen Frauen, und sicher war einiges von diesem Erbe in ihr.“
    Bei dieser Schilderung stockte Paddy das Blut. Es hätte sich genauso um eine Beschreibung von Brighid handeln können. Ohne jeden Zweifel war die Ähnlichkeit mit der Besucherin aus Dublin frappierend! Auch das konnte kein Zufall sein. Sollte sie vielleicht aus derselben Ahnenreihe stammen? So unwahrscheinlich es klang, aber Paddy war fast davon überzeugt. Dann schmökerte er weiter, gefesselt von der lebendigen Wiedergabe dieser Träume.
    „Erst segelte sie bei unseren Kaperfahrten mit, war bald erfahren im Umgang mit den Waffen und zeigte auch nicht die geringsten Skrupel. Schwerthand, der sie gleich nach ihrer Rettung in seine Achterkajüte hatte schaffen lassen, ging erstaunlich sanft mit ihr um – gerade er, der sonst mit den Weiberleuten an Bord der aufgebrachten Schiffe alles andere als zimperlich war. Ja manchmal, wenn sie sich aufmüpfig zeigten, nahm er sie sogar vor den Augen der grölenden Mannschaft. Zwei kräftige Männer hielten das Opfer dabei fest. Und er keuchte: ‚Jetzt wirst du mal spüren, was ein richtiges Schwert ist und nicht so ein vornehmer, in Seide gepackter Aristokaten-Piedel!’ Wir waren eben ein Haufen wilder, gesetzloser Burschen, die alles taten, um die von uns gehasste, prüde Adelsgesellschaft der Engländer zu brüskieren.
    Dann wurde Daira unverhofft schwanger und Schwerthand brachte sich fast um vor Fürsorge.

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