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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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Ich hätte das bei diesem Mann nicht für möglich gehalten, aber er schien doch tatsächlich daran interessiert, in ein mehr bürgerliches Leben schlüpfen zu wollen.
    So steuerte er alsbald unsere Insel an, ließ im Südhafen den Anker fallen und ging an Land. Das Resultat war bemerkenswert. Er gab den Bau eines Steinhauses in Auftrag und verfrachtete Daira samt einer schweren metallenen Kiste in diese Herberge auf den Hügeln. Es war ein einfaches Steinhaus, eben so, wie sie auf der Insel überall standen. Er wollte, dass sie sein Kind in Ruhe und geschützt von all den Gefahren des Lebens auf See zur Welt bringen sollte. Sie war davon allem Anschein nach nicht besonders angetan, liebte eben gerade das ungezügelte Leben eines Piratenliebchens und war so schließlich selbst zur Freibeuterin geworden. Aber sie fügte sich.
    Von da an steuerten wir immer wieder die Insel an. Schwerthand verschwand in den Hügeln, besuchte seine Gespielin, brachte ihr Geschenke von seinen Beutezügen mit und achtete darauf, dass sie von den Insulanern mit gehörigem Respekt behandelt wurde.
    Natürlich barg dieses Arrangement auch eine Gefahr für uns: Ein Verrat und die teuflischen Engländer hätten ihn fassen, wie einen Hahn im Korb aufs Festland und an den Galgen schaffen können. Allerdings: Die Insulaner dachten nicht an so etwas, vergoldete er ihnen doch ihren Schutz stets mit einigen Doublonen. Das hatte er schon richtig so vorausgesehen.
    Als ihr Tag gekommen war, gebar Daira ihm ein Mädchen. Schwerthand war überglücklich, obgleich ihm wahrscheinlich ein Sohn lieber gewesen wäre. Sie nannten das Kind Birte und es entwickelte sich prächtig. Die Jahre vergingen, wir häuften immer mehr Schätze an und unser Kapitän schleppte seine Beuteanteile stets zu dem Steinhaus, wo er ein geheimes Versteck besitzen musste. Ich habe dies allerdings nie in Erfahrung gebracht, ja, ich weiß nicht einmal, ob Daira davon überhaupt etwas wusste.
    Mir fielen diese Aktionen als einem seiner engsten Vertrauten natürlich auf und ich vermutete, dass unser guter Piratenfürst langsam seinen Umstieg in die Haut eines wohlgeachteten und wohlhabenden Bürgers plante. Nun je, dachte ich mir, warum nicht? Denn wozu sammelten wir all die Reichtümer an? Doch wohl, um eines Tages ein besseres Leben zu führen, ähnlich jener englischen Landlords, die andere für ihren Wohlstand mehr oder weniger versklavt hatten und dem kleinen Mann so gut wie keine Chance ließen. Bei einem von uns hätten diese armen Leute es vermutlich sogar besser gehabt.
    Zu dieser Erkenntnis trug ganz entscheidend bei, dass unser berüchtigter Schwerthand über einen Strohmann in der Nähe der Roaring Water Bay einen Landsitz erwarb. Da wollte er sich allem Anschein nach später mit Frau und Kind und wahrscheinlich unter anderem Namen niederlassen, vielleicht als Heimkehrer aus der Neuen Welt tarnen, der es jenseits des großen Teiches zu etwas gebracht hat. Ich schwieg meinen Mannschaftskameraden gegenüber auch über diesen Teil meiner Vermutungen. Andernfalls hätte diese Tatsache vermutlich unsere Autorität an Bord untergraben.
    Stattdessen machte ich mir selbst Gedanken, was wohl nach einem solchen Schritt meines Meisters für mich selbst angeraten schien. Man muss schließlich sehen, wo man bleibt. Mir schwebte ein kleines Häuschen mit Garten vor, ein beschauliches Pensionärsdasein, vollgepackt mit all den Erinnerungen aus meinem wildbewegten Leben. Nur das rechte Plätzchen fehlte noch.
    Dennoch, ganz wohl war mir nicht bei der Geschichte. Ich weiß nicht, warum. Und die Entwicklung sollte zeigen, dass meine Ängste nicht von ungefähr existierten.
    Es kam, wie es kommen musste. Bei einem unserer nächsten Besuche war die Katastrophe perfekt.
    Wir ankerten wieder im Südhafen. Schwerthand ließ sich mit seinem Langboot an Land rudern und stieg erneut in die Hügel. Verwunderlich erschien mir nur, dass nicht ein einziger Insulaner zu sehen war. Sonst hatten sie sich haufenweise am Ufer gedrängt, warteten darauf, dass auch für sie etwas abfiel. Diesmal aber herrschte eine fast gespenstische Stille.
    Es dauerte nicht lange, da sahen wir unseren Kapitän im Eilschritt zurückhasten. Schnell wurde er an Bord gerudert. Er enterte mit der Geschwindigkeit einer Katze auf und gab sofort Befehl, Segel zu setzen und ankerauf zu gehen. Als ich ihn fragte, warum das Ganze, zischte er nur: ‚Verrat, Daira ist tot, ermordet. Unser Kind verschwunden! Nichts wie weg hier! Der

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