Gesichter im Nebel (German Edition)
verdauen.
Dann fuhr der Paddy mit leiser Stimme fort:
„Der Fluch stammt aus grauer Vorzeit, noch bevor die Kelten hier siedelten. Er scheint, so konnte ich da lesen, das böse Erbe einer Hexenmeisterin zu sein, die auf Cape, da wo heute das Lighthouse steht, den Göttern geopfert wurde, so unwahrscheinlich dir das auch klingen mag. Ich habe bisher mit niemandem darüber gesprochen und werde das auch, außer dir, keinem anderen Menschen erzählen. Aber es belastet mich schon seit einigen Tagen und auch du musst es geheim halten, bis wir vielleicht eine Lösung gefunden haben. Bitte, glaube mir, ich erzähle dir keine Fabeln. Ich kann dir das Skript zeigen, es steht neben den Büchern meiner Mutter im Schlafzimmer. Ich habe allerdings noch nicht ganz zu Ende gelesen und zudem manchmal Mühe mit dem Entziffern. Du weißt ja, ich bin da nicht sehr gewandt. Auch sind manche alten Schriftzeichen fast verblichen und einige Seiten zerbröseln bereits an einigen Stellen, sie haben wahrscheinlich zu viel Feuchtigkeit abbekommen.
Mein Urahn hat sein Werk nie jemanden gezeigt, sondern wollte es für eine nachfolgende Generation aufheben, die vielleicht den Mut hat, mehr zu hinterfragen. Er war ein sehr frommer und gottesfürchtiger Mann und er hatte Angst davor, dass ihn die anderen für verrückt erklärt hätten. Die Leute hätten vielleicht geglaubt, dass er mit den finsteren Mächten der Unterwelt in Verbindung steht, was ja sogar in einem gewissen Sinn die Wahrheit gewesen ist, auch wenn das alles nicht aus seinem eigenen Willen heraus geschah.“
Der blinde Mann war immer noch sprachlos, doch dann fasste er sich endlich und meinte mit ernster Stimme:
„Paddy, wenn ich nicht selbst die Anwesenheit solcher Luftwesen gespürt hätte, würde ich sagen, du spinnst oder hast zu tief in die Flasche geschaut, folgst einem Fieberwahn und bist gar in Gefahr, in eine geistige Umnachtung zu fallen, eine ernste Form von Krankheit, die nach ärztlicher Behandlung verlangt. Aber ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass du ein nüchterner Mann bist, der mit beiden Beinen im Leben steht und keine Zeit und Lust hat, Hirngespinsten anzuhängen. Ja, ich glaube dir und ich bin – wenn du erlaubst – begierig darauf, mehr über diese geheimnisvollen Schattenwesen zu erfahren. Denn auch ich bin längst aufs Äußerste beunruhigt! Und ich meine, dass da etwas geschehen muss, so wir dazu in der Lage sein sollten. Andernfalls ist es besser, das Maul zu halten. Es würde auf der Insel nur eine Panik auslösen und viele unserer Leute dazu bringen, von hier abzuhauen. Du weißt ja, wie abergläubisch ohnehin die meisten sind. Mein Gott auch, das gibt mir eine schlaflose Nacht. Aber ich habe jetzt wenigstens eine Erklärung für all die Dinge, die mich schon seit längerer Zeit beunruhigen und die ich selbst so manches Mal versucht war, für die törichte Einbildung eines alten und übersensiblen Mannes zu halten.“
„Xirian“, gab Paddy sichtlich erleichtert zurück, „nein, ein alter Mann bist du zwar, aber keiner, der sich da etwas zusammenfantasiert. Dafür kenne ich dich zu gut. Ich schlage vor, dass du die nächsten Tage zu mir kommst. Ich erzähle dir dann alles und ich kann dir den letzten Teil am besten sogar vorlesen. Dann beratschlagen wir, was wir unternehmen können, wenn’s dir recht ist.“
„Das ist eine gute Idee. Ja, das sollten wir unbedingt tun! Übermorgen?“
„Einverstanden. Komm um Mittag vorbei. Ich werde da sein!“
Sie waren weitergegangen, hatten den Abzweig zu Paddys Haus erreicht und verabschiedeten sich, beide mit dem Gefühl, jetzt gemeinsam der Lösung des Rätsels näher zu kommen. Und Paddy war froh: Er musste das Geheimnis nicht weiter alleine auf seinen Schultern tragen. Er hatte einen Mitwisser, und da dieser ein kluger Kopf mit seherischen Fähigkeiten war, erhoffte er sich auch, dass dem Spuk eines Tages vielleicht ein Ende gesetzt werden konnte, im eigenen Interesse und in dem der dann erlösten Schatten.
In dieser Nacht, während die Nebel über die dunklen Wasser des Südhafens wallten und die Brandung wie immer mächtig an die südliche Küste rauschte, warf sich Brighid auf ihrem spartanischen Lager unruhig im Schlaf von einer Seite auf die andere. Ein schrecklicher Albtraum hatte sie heimgesucht und sie stöhnte mehrfach und wie in Todesangst auf.
Sie sah sich in diesen Visionen auf dem Vorschiff eines großen Segelschiffes kauern. Die See war nur mäßig bewegt. Dichte
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